Herr Schuster, nach den Landtagswahlen meinen Beobachter, der große Schock sei ausgeblieben. Wie bewerten Sie die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen?
Die Ergebnisse sind sicherlich ein wenig besser, als das, was man zeitweise befürchtet hatte. Trotzdem wäre es verheerend, sich jetzt, da die AfD weder in Potsdam noch in Dresden stärkste Fraktion geworden ist, entspannt zurückzulehnen und weiterzumachen wie bisher. Der Wahlkampf in den vergangenen Wochen hat deutlich gezeigt, dass es notwendig und erfolgreich ist, auf die Menschen zuzugehen und nicht Politik von oben zu machen.
Geht es also darum, die Wähler anders anzusprechen?
Durchaus. Ich glaube, das hat sich in zwei verschiedenen Ländern mit ihren unterschiedlichen Ministerpräsidenten gezeigt: Es geht darum, eine Politik zu machen, die die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nimmt. Man muss den Menschen ganz realistisch die Umstände aufzeigen, in denen sie leben. Dann, so denke ich, wird sich die Situation positiv stabilisieren, und man kann einer Partei wie der AfD das Wasser abgraben.
Wie bewerten Sie die Tatsache, dass sich rund 75 Prozent der Wähler gegen die Rechtspopulisten entschieden haben?
Das kann uns nicht beruhigen, muss uns aber motivieren, diesen 75 Prozent den Rücken zu stärken und daraus wieder mehr als 90 oder am besten 100 Prozent zu machen. Gerade die Sorge vor dem Erfolg der AfD wird einige Wähler mobilisiert haben.
Jetzt sind schwierige Regierungsbildungen zu erwarten. Was würden Sie den demokratischen Parteien empfehlen?
Es muss weiterhin bei einer klaren Abgrenzung zur AfD bleiben. Und man darf jetzt auf keinen Fall ihrer Anbiederung folgen, die – wie inzwischen von Parteichef Gauland mehrfach zu hören war – das Wort »bürgerlich« für die Partei beansprucht. Sie ist nicht bürgerlich, sondern meiner Meinung nach rechtspopulistisch, in Teilen rechtsradikal. Wo die AfD steht, zeigt zum Beispiel der Spitzenkandidat in Brandenburg, dessen politischer Werdegang und persönliche Vergangenheit keinen Zweifel mehr aufkommen lassen, wes Geistes Kind er ist.
Die AfD Sachsen fordert laut Parteiprogramm, Beschneidung und rituelles Schlachten zu verbieten. Was bedeutet es, wenn 27,5 Prozent der Wähler mit ihrer Stimme diese Forderung unterstützen?
Die AfD will mit diesen Forderungen vor allem die Muslime treffen. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Aber das macht die Sache nicht besser. Und dass nun 27,5 Prozent mit ihrer Wahlentscheidung für die AfD in Kauf nehmen, dass nach dem Verbot von Beschneidung und Schechita jüdisches Leben in Sachsen nicht mehr möglich wäre, ist für diese Wähler ein Kollateralschaden, vor dem sie nicht zurückschrecken. Die AfD ist nach meiner Einschätzung eine religionsfeindliche Partei.
Mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.