Zwei weitere Gewerkschaftsdachverbände haben sich in diesem Jahr dem weltweiten Boykott Israels angeschlossen: die tunesische UGTT und die norwegische LO. Damit sind es nun sieben der 340 im Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) zusammengeschlossenen Organisationen, die zu einem Boykott des jüdischen Staates aufrufen. Das sind zwar nur etwas mehr als zwei Prozent, aber bezogen auf die Mitgliederzahl vertreten diese sieben Verbände 12,5 Millionen der 182 Millionen IGB-Mitglieder: immerhin sechseinhalb Prozent.
Weder Norwegens LO noch Tunesiens UGTT – 2015 wegen ihrer Rolle im arabischen Frühling mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – nehmen Bezug auf die BDS-Bewegung, die »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen« gegen den jüdischen Staat fordert. Gleichwohl übernehmen beide etliche von deren Forderungen.
bds Andere Gewerkschaftsdachverbände, die glauben, sich dem Kampf gegen Israel verschreiben zu müssen, schlossen sich gleich offiziell BDS an: Zwischen 2009 und 2011 riefen mit der südafrikanischen COSATU, der brasilianischen CUT, der ägyptischen EFITU und der irischen ICTU gleich vier durchaus große Dachverbände zur Unterstützung der BDS-Bewegung auf. Im Jahr 2015 zog mit der kanadischen CSN ein kleinerer Dachverband nach.
Immerhin, einige der zum Boykott entschlossenen Dachverbände erkennen Israels Existenzrecht an. Gleichwohl riefen auch etwa die britische TUC, die schwedische LO und die belgische FGTB mit insgesamt neun Millionen Mitgliedern mehrmals zu einem Boykott von Produkten auf, die in jüdischen Siedlungen im Westjordanland produziert wurden. Besonders weit ging die tunesische UGTT: Sie erklärte schon den Versuch einer Normalisierung des Verhältnisses mit der »zionistischen Entität« zum Verbrechen.
Im Jahr 2011 hatten die ägyptische EFITU und die südafrikanische COSATU verlangt, den israelischen Gewerkschaftsdachverband Histadrut aus dem IGB auszuschließen. Doch diese Forderung unterstützte außer den beiden niemand.
Auch nicht der palästinensische Gewerkschaftsbund PGFTU, der ohnehin eine Sonderrolle einnimmt. Auf der BDS-Website wird die PGFTU sogar als Gründungsmitglied des Palästinensischen Nationalkomitees für Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (BNC) genannt, das BDS koordiniert. Doch das ist eine Erfindung von BDS. Tatsächlich existiert kein entsprechender Beschluss, und etwa auf der PGFTU-Website findet sich kein diesbezüglicher Hinweis. Vielmehr will der langjährige PGFTU-Vorsitzende Shaher Saed einer BDS-Unterstützung partout nicht zuraten.
Die PGFTU arbeitet eng mit der Histadrut zusammen. So führt die Histadrut die Hälfte der Mitgliedsbeiträge von palästinensischen Beschäftigten an die PGFTU ab.
Hamas In Presseerklärungen zieht die PGFTU palästinensische Behörden und Arbeitgeber für schlechte Arbeitsbedingungen zur Verantwortung und empfiehlt als Vorbild israelische Verhältnisse. Die Hamas hingegen beschlagnahmte 2007 die PGFTU-Niederlassung in Gaza und verfolgt deren Mitglieder. Bei der PGFTU, die 290.000 Mitglieder hat, weiß man, dass ein erfolgreicher Boykott Israels gegen das Interesse der palästinensischen Arbeiter gerichtet wäre.
Wegen ihrer engen Zusammenarbeit mit der Histadrut wird die PGFTU allerdings von einer ganzen Reihe arabischer Gewerkschaften boykottiert.
Deren Aktivitäten könnten darauf hindeuten, dass die Boykottfront gegen den jüdischen Staat breiter ist, als es entlang der genannten sieben Dachverbände erscheint. Einige der Boykotteure sind nämlich nicht Mitglieder im IGB. Der größte davon ist wohl der schottische STUC mit über 600.000 Gewerkschaftern. STUC hatte sich 2009 BDS angeschlossen.
Auch einige kleinere basisdemokratische Gewerkschaften rufen zum Israelboykott auf. Das sind Organisationen wie die IWW (Industrial Workers of the World), die in den USA, Großbritannien und Deutschland aktiv sind, oder die polnische IP und in Frankreich eine Abspaltung von der anarchosyndikalistischen CNT.
Die in dieses Spektrum gehörende deutsche Gewerkschaftsföderation FAU plant mit 700 Mitgliedern für 2018 den Zusammenschluss unter anderem mit diesen drei Basisgewerkschaften. Eigentlich schließen die Prinzipien der FAU ein Bündnis mit Organisationen aus, die eine antisemitische Praxis verfolgen. Ob die FAU dieses Prinzip bricht, wird sich erweisen.
welle Auch offen ist die Frage, ob die jüngsten Beschlüsse der tunesischen und der norwegischen Gewerkschaften wirklich den Auftakt zu einer neuen antiisraelischen Welle bilden. In Norwegen beispielsweise hatten einige Einzelgewerkschaften seit Langem auf einen Boykott durch den Dachverband LO hingewirkt.
Da aber der Kongress nur alle drei Jahre stattfindet, deutet einiges darauf hin, dass die LO eher Nachzügler als Vorreiter ist.
Schaut man sich die boykottwilligen Verbände an, fällt auf, dass sie außer dem irischen und dem tunesischen im eigenen Land in starker Konkurrenz zu anderen Verbänden stehen. Die anderen, meist größeren Verbände denken nicht daran, gewerkschaftliche Tätigkeit mit Antizionismus zu verbinden. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) teilt mit, dass es keine Anträge oder Beschlüsse gibt.