Marlene Halser, Ressortleiterin Gesellschaft und Medien bei der »taz«, wittert die jüdische Lobby am Werk. »Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate hat der Zentralrat der Juden in Deutschland Kritik an Programmentscheidungen des TV-Senders Arte geübt«, schreibt sie in deutlich missbilligendem Ton (http://www.taz.de/!5438194), nachdem Zentralratspräsident Josef Schuster vergangene Woche die recht einseitige Dokumentation Gaza: Ist das ein Leben? öffentlich moniert hatte. »Inwieweit ist es zulässig«, fragt die Journalistin rhetorisch, »dass sich die politische Vertretung einer Religionsgemeinschaft in die Programmgestaltung eines unabhängigen Senders einzumischen versucht?«
Nun ist, erstens, Kritik an einer Sendung keine »Einmischung«. Arte ist eine Fernsehanstalt, kein Heiligtum, für das der Gotteslästerungsparagraf gilt. Und selbst wenn, zweitens, der Zentralrat tatsächlich inhaltlich hätte Einfluss nehmen wollen – die Überschrift »Programmdirektor Schuster« weist in diese Richtung –, es wäre der Normalfall im öffentlich-rechtlichen System. Religionsgemeinschaften wirken, wie Parteien, Gewerkschaften und Verbände, auf die Sender ein, sei es in gesetzlich verankerten Gremien wie den Rundfunkräten, sei es durch informelle Kanäle.
Staatskanzlei Wenn leitende Redakteure, von denen jeder in den Häusern weiß, dass sie auf politischem oder religiösem Ticket an ihre Positionen gekommen sind, nicht dafür sorgen, dass die Positionen ihrer Paten sich im Programm gebührend niederschlagen, reicht ein Griff zum Telefon: Anrufe von Staatskanzleien, Parteizentralen und kirchlichen Medienbeauftragten werden in der Regel sofort zu den Intendanten durchgestellt. Eine Ressortleiterin Medien müsste das wissen.
Dieser Zustand der öffentlich-rechtlichen Anstalten verdient tatsächlich Kritik. Dass Marlene Halser sich aber ausgerechnet die Vertretung der Juden herauspickt, verwundert. Die hat nämlich in diesem Spiel schwache Karten. Der Zentralrat ist medienpolitisch eine im Vergleich zu anderen vernachlässigbare Größe. Das wissen auch die Sender. Kritik von jüdischen Institutionen wird dort deshalb in der Regel freundlich angehört und anschließend ignoriert. Auch Arte hat auf Josef Schusters Einwände mit einer höflich umschriebenen »Juckt uns nicht weiter!«-Stellungnahme reagiert. Mit der viel beraunten Macht der Juden ist es nicht weit her.
Wer wirklich Einfluss auf die Medien nehmen kann, nutzt ihn in der Regel leise hinter den Kulissen. Wer keinen hat, schreibt Offene Briefe, wohl wissend, dass er am Lauf der Dinge damit wenig ändern kann. Marlene Halser gelingt das Kunststück, daraus genau das Gegenteil zu machen. Sie schlägt Alarm, als stünde die Rundfunkfreiheit auf dem Spiel: Josef Schuster und die Juden ante portas! Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun. Aber es verrät einiges über die Mentalität einer »taz«-Ressortleiterin.