Der neue Labour-Chef fackelte heute nicht lange: Nur wenige Stunden, nachdem Rebecca Long-Bailey einen Tweet abgesetzt hatte, warf Keir Starmer sie aus seinem Schattenkabinett und damit aus der Partei- und Fraktionsführung. Der Grund: Long-Bailey hatte am Vormittag mit lobenden Worten einen Artikel des »Independent« auf Twitter geteilt.
Darin behauptet die Schauspielerin Maxine Peake, die beim Tod von George Floyd in Minneapolis angewandte Polizeitaktik des Luftabdrückens mit dem Knie hätten die amerikanischen Polizisten von israelischen Geheimdienstleuten beigebracht bekommen. Eine ähnliche Behauptung hatte jüngst der Mitbegründer der Band Pink Floyd, Roger Waters, aufgestellt.
VERTRAUEN Rebecca Long-Bailey, die im Labour-Schattenkabinett für den Bereich Bildung zuständig war und im Frühjahr Starmer im Rennen um die Nachfolge des umstrittenen Jeremy Corbyn unterlegen war, pries in ihrem Tweet Peake als »einen absoluten Diamanten« und verlinkte zu dem »Independent«-Artikel.
Kurze Zeit später twitterte sie zur Klarstellung, ihr wohlwollender Tweet sei keine Billigung aller im Text gemachten Aussagen gewesen. Sie habe lediglich der Bemerkung Peakes zugestimmt, es sei es wert gewesen, Labour die Stange zu halten.
Doch der Labour-Vorsitzende handelte sofort. »Heute Nachmittag hat Keir Starmer Rebecca Long-Bailey gebeten, aus dem Schattenkabinett auszuscheiden«, erklärte sein Sprecher gegen 15 Uhr Ortszeit. »Der Artikel, den Rebecca heute geteilt hat, enthält eine antisemitische Verschwörungstheorie. Als Chef der Labour Party hat Keir klargestellt, dass die Rückgewinnung des Vertrauens der jüdischen Gemeinschaft oberste Priorität hat. Antisemitismus manifestiert sich in vielen verschiedenen Formen, und es ist wichtig, dass wir hier wachsam bleiben«, fügte er hinzu.
KRITIK Zuvor hatte das Board of Deputies of British Jews Long-Baileys Tweet kritisiert und sie aufgefordert, sich zu entschuldigen. Die Präsidentin des jüdischen Dachverbands, Marie van der Zyl, sagte, man habe sich sofort nach Erscheinen des ersten Tweets von Long-Bailey an die Politikerin gewandt, um sie über die im Artikel enthaltene Verschwörungstheorie zu informieren, und sie gebeten, den Tweet zu löschen. Die nachgeschobene Klarstellung Long-Baileys sei »erbärmlich« gewesen, so van der Zyl, und werfe die Frage auf, ob sie überhaupt für eine politische Führungsrolle geeignet sei.
Die Politikerin aus Salford bei Manchester gilt als Linke und als eine der engsten Vertrauten Corbyns. Dessen viereinhalbjährige Amtszeit war von wiederholten, schweren Antisemitismusvorwürfen überschattet. Long-Bailey kam bei der Urwahl der Labour-Mitglieder im Frühjahr auf 28 Prozent der Stimmen, Starmer erzielte 56 Prozent.