Den Haag

Neuer Chefankläger für Internationalen Strafgerichtshof

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist umstritten Foto: imago/Peter Seyfferth

Der Brite Karim Khan wird der neue Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes. Die Vertreter der 123 Vertragsstaaten des Gerichtes wählten den 50-jährigen Juristen am Freitag in New York nach einem langwierigen Entscheidungsprozess.

Orde Kittrie von der NGO Foundation for Defense of Democracies sagte laut der israelischen Zeitung »Jerusalem Post«, die Wahl Khans spiegele »das wachsende Verständnis vieler Mitgliedsstaaten wider, dass der IStGH ernsthaft reformbedürftig ist, einschließlich einer Neuausrichtung auf seine juristische Kernaufgabe.« Der Strafgerichtshof sei in einem schlechten Zustand und habe sich weit von seinen Gründungsidealen weit entfernt.

KAMPFABSTIMMUNG Khan wird im Juni die Chefanklägerin Fatou Bensouda (60) aus Gambia ablösen, die nach neun Jahren im Amt ausscheidet. Ein Chefankläger wird nur für eine Amtszeit gewählt. Das Weltstrafgericht mit Sitz in Den Haag verfolgt Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord.

Zum ersten Mal konnten sich die Vertragsstaaten nicht auf einen Kandidaten einigen. Zuletzt standen vier Kandidaten zur Wahl. Khan wurde im zweiten Wahlgang mit 72 Stimmen gewählt. Der irische Jurist Fergal Gaynor kam nur auf 54 Stimmen.

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Der Chefankläger wird sein Amt in einer sehr kritischen Zeit für das Gericht antreten. Zu den ersten Aufgaben des neuen Anklägers wird es auch gehören, darüber zu entscheiden, ob die umstrittene Untersuchung des Konflikts im Gazastreifen 2014 weiter vorangetrieben werden soll.

URTEIL Vor zehn Tagen hatte eine Vorverfahrenskammer des IStGH in einer von Bensouda angestrebten Entscheidung festgestellt, dass das Gericht zuständig sei für ein Verfahren gegen Israel und die Hamas in Gaza wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Der Staat Palästina umfasse die 1967 von Israel eroberten Gebiete im Westjordanland, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem. Bensouda hatte 2015 die Untersuchung auf Betreiben der Palästinenser hin eingeleitet.

Vor zwei Jahren hatte sie angedeutet, dass ihre Untersuchung, sofern vom Gericht genehmigt, nicht nur auf die Operation »Protective Edge«, sondern auch auf die israelische Siedlungspolitik und die israelische Reaktion auf Proteste an der Grenze zu Gaza 2018 umfassen würde. Israel und die Vereinigten Staaten – die beide keine IStGH-Mitgliedsstaaten sind – haben sich vehement gegen die Einmischung des Gerichts ausgesprochen.

ISRAEL Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte in Reaktion auf die Entscheidung der Kammer, der IStGH verletze »das Recht der Demokratien, sich gegen den Terrorismus zu verteidigen.« Man werde Israels Bürger und Soldaten weiterhin in jedweder Form vor juristischer Verfolgung schützen.

Israels TV-Sendeanstalt »Kan« hatte Ende vergangener Woche berichtet, dass israelische Beamte Karim Khans Kandidatur hinter den Kulissen unterstützt hätten. Im Gegensatz zu seinem Mitbewerber Gaynor gelte er als jemand, der sich gegen die Politisierung des Strafgerichtshofs wende.

Khan war als Favorit ins Rennen gegangen. Er leitete zurzeit im Auftrag der UN die Untersuchung nach Kriegsverbrechen der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) im Irak und hat eine lange Erfahrung im internationalen Strafrecht – als Ankläger sowie als Verteidiger beim Weltstrafgericht. Beobachter beschreiben ihn als »großartigen Anwalt« und »beängstigend schlauen Meister-Strategen«.

VERWERFUNGEN Bensouda Bilanz gilt dagegen als mager: Nur eine Handvoll Verfahren wurden unter ihrer Ägide mit einem Schuldspruch abgeschlossen. Der IStGH leidet zudem an internen Problemen. Eine Expertenkommission unter Leitung des südafrikanischen Richters Richard Goldstone hatte im vergangenen Jahr einen Bericht über das Funktionieren des Gerichtes vorgelegt. Das Fazit: bürokratisch, unbeweglich, ineffizient.

Auch das Arbeitsklima unter den rund 900 Mitarbeitern ist laut dem Bericht schlecht. Die Experten berichteten von einer »Kultur der Angst«, Diskriminierung, mutmaßlicher sexueller Belästigung und einem autoritären Regime. dpa/mth

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