Rund 6000 Menschen gingen bei nasskaltem Wetter am Montag in Brüssel auf die Straße, um ein entschlosseneres Handeln der Europäischen Union gegen das Regime im Iran einzufordern. Im Ratsgebäude tagten zeitgleich die Außenminister der 27-EU-Staaten. Sie beschlossen am Nachmittag, 32 weitere hochrangige Regimevertreter, darunter die Minister für Bildung und für Kultur, sowie zwei iranische Einrichtungen auf die EU-Sanktionsliste zu setzen.
Doch die Hauptforderung der Demonstranten, die Aufnahme der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) in die Liste der terroristischen Vereinigungen, wurde wieder nicht erfüllt. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen des Ministertreffens gab es sowohl rechtliche als auch politische Bedenken gegen die Maßnahme. Einem zunächst nicht veröffentlichten Gutachten des juristischen Dienstes des Rates zufolge müssen der Einstufung Entscheidungen der Justizbehörden eines EU-Mitgliedsstaates zugrunde liegen.
WIDERSTAND Diese Frage war bislang jedoch umstritten. Hinzu kommt Widerstand aus einigen Hauptstädten: So soll sich unter anderem die französische Regierung bislang querstellen, wie die Jüdische Allgemeine erfuhr. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der für die EU auch die Gespräche über das Nuklearabkommen JCPOA managt, scheint bislang nicht von der Maßnahme überzeugt zu sein.
Diplomaten in Brüssel fürchten, dass der Gesprächsfaden zu Teheran abreißen könnte, sollte die Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste kommen. Es wäre das erste Mal, dass eine staatliche Armeeeinheit als terroristische Vereinigung einstuft würde. Noch am Wochenende hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit dem iranischen Außenminister Amirabdollahian telefoniert.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte die Maßnahme Ende Oktober 2022 ins Spiel gebracht, zuletzt aber ebenfalls rechtliche Bedenken geäußert. Dennoch hat der Rat im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen im Iran ein Zeichen gesetzt und zum fünften Mal in Folge Sanktionen gegen das Regime in Teheran beschlossen.
ANREICHERUNG Zu den nun mit einem Einreiseverbot und dem Einfrieren ihrer Guthaben in der EU belegten Personen gehören Irans Kulturminister Mohammad Mehdi, Bildungsminister Yousef Nouri sowie mehrere Parlamentarier. Auch die Strafverfolgungsbehörde des Irans sowie Mitglieder der Polizei und der Justizverwaltung wurden auf die Sanktionsliste der EU genommen, die mittlerweile 196 Personen und 33 Einrichtungen umfasst.
Am Sonntag berichtete die Nachrichtenagentur »Bloomberg« unter Berufung auf Diplomatenkreise, dass Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien jüngst im Iran auf einen Reinheitsgrad von 84 Prozent angereichertes Uran entdeckt hätten. Dies wäre nur knapp unter der Schwelle des für den Bau einer Atombombe erforderlichen Wertes von 90 Prozent. Der Fund unterstreiche das Risiko, dass die nuklearen Aktivitäten des Irans bald eine weitere Krise auslösen könnten, so »Bloomberg«. Für die friedliche Nutzung der Kernenergie reichen Reinheitsgrade von unter fünf Prozent aus.
Auch in Israel wächst die Sorge über die iranischen Aktivitäten. Am Sonntag beschuldigte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Teheran, einen israelischen Öltanker im Persischen Golf angegriffen zu haben. Der unter liberianischer Flagge fahrende Tanker »Campo Square« wurde am 10. Februar im Arabischen Meer, rund 550 Kilometer vor den Küsten Indiens und Omans von einem Objekt aus der Luft getroffen und leicht beschädigt. Die Besatzung kam offenbar nicht zu Schaden. Der Iran habe »die internationale Freiheit der Schifffahrt« angegriffen, so Netanjahu.