Es gibt zumindest eine gute Nachricht: Die Gefahr, dass Israel von einem Zwei- oder Dreifrontenkrieg gegen die Armeen arabischer Staaten überrascht wird, ist praktisch auf null gesunken.
Ägyptens Wirtschaft und Politik befinden sich in einem derart desolaten Zustand, dass eine militärische Großoffensive gegen den jüdischen Staat in naher Zukunft undenkbar scheint. Syriens Armee steht nach 20 Monaten Bürgerkrieg am Rande der Erschöpfung. Der Irak, der seine Truppen wiederholt in Kriege gegen Israel entsandte, ist dazu nicht mehr fähig. Libanons Armee würde wahrscheinlich selbst ein Gefecht mit der israelischen Polizei verlieren. Und Jordanien hat kein Interesse an einem Waffengang.
Dennoch hat sich Israels Sicherheitslage seit Beginn der »Arabellion« verschlechtert: Die Gefahr eines konventionellen Krieges ist zwar gesunken, die Bedrohung durch asymmetrische Kriegsführung hat aber exponentiell zugenommen – an allen Fronten.
Prekär Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen genügten, um den Israelis ihre prekäre Lage vor Augen zu führen. An allen Grenzen implodiert die Zentralgewalt der arabischen Nachbarn. Souveräne Staaten, mit denen Israel Friedensverträge aushandeln oder wenigstens ein Gleichgewicht militärischer Abschreckung herstellen konnte, verwandeln sich in anarchische Gebilde, in denen sich extremistische Terrororganisationen etablieren können.
Der Prototyp dieser Entwicklung ist der Libanon, der schon in den 70er-Jahren in einem Bürgerkrieg zerfiel und zum Teil von der PLO kontrolliert wurde, die von hier aus Anschläge auf Israel startete. Heute ist dort die vom Iran gestützte schiitisch-islamistische Hisbollah mit ihrem militanten israelfeindlichen Kurs tonangebend. Unlängst entsandte sie eine Aufklärungsdrohne übers Mittelmeer fast bis zum Atomreaktor in Dimona. Das unbemannte Flugzeug ist eine wichtige, weil punktgenaue Ergänzung des Hisbollah-Waffenarsenals, das mit rund 50.000 Kurz- und Mittelstreckenraketen, die jeden Punkt in Israel erreichen können, ohnehin bedrohlich gut bestückt ist.
chaos Auf das Chaos im Libanon folgte der Putsch der Hamas im Gazastreifen 2007. Seither wird der Landstrich an Israels Südgrenze von einer islamistischen Terrororganisation beherrscht, unter deren Regentschaft allein 2012 über 1000 Raketen und Granaten auf israelische Ortschaften abgefeuert wurden. Für rund eine Million Bürger im Süden des Landes bedeutet Normalität deswegen inzwischen, sich in der Nähe eines Bunkers aufhalten zu müssen. Wie schnell und dramatisch sich die Lage noch verschlechtern kann, zeigt die aktuelle Entwicklung nach der gezielten Tötung des Hamas-Generals Ahmed al-Dschabari.
Eine ähnliche Situation wie im Gazastreifen droht auch im Sinai. Das ehemalige Naherholungsgebiet, Gegenstand des ersten Nahost-Friedensabkommens Ende der 70er-Jahre, ist nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak zu einer Terrorenklave geworden. Dschihadisten, von Ägyptens Souveränität geschützt, bereiten dort einen Anschlag auf Israel nach dem anderen vor.
Destabilisierung Als wäre all das nicht genug, eskaliert nun auch die Situation auf den Golanhöhen, bis vor Kurzem Israels ruhigste Grenze. Wiederholt verletzten syrische Truppen die Waffenstillstandslinie, bis Jerusalem sich zu Warnschüssen genötigt sah. Was zu Anfang wie ungewollter Zufall aussah, kommt inzwischen manchen immer mehr wie Absicht vor.
Schließlich fordert Damaskus nicht nur Israel, sondern auch Jordanien, die Türkei und den Libanon mit Grenzverletzungen heraus. Präsident Baschar al-Assad könnte so versuchen, seine zunehmend desillusionierten und frustrierten Anhänger mittels des Kampfes gegen Israel mit einem patriotischen Schlachtruf hinter sich zu einen. Dagegen spricht allerdings, dass staatliche syrische Medien die Zwischenfälle an der Grenze völlig ignorierten. Zweifellos jedoch will Assad seine Nachbarn destabilisieren.
Mehr als 100.000 Syrer suchten bereits in Jordanien Zuflucht. Einige der Flüchtlinge, argwöhnt Jordaniens Geheimdienst, sind syrische Provokateure, die das haschemitische Königshaus wegen seiner Unterstützung der Rebellen stürzen sollen. Angesichts der wachsenden Unruhe im Königreich kein unmögliches Ziel. Fiele aber das Regime von Abdallah II., drohte die Gefahr eines Bürgerkriegs und eines Erstarkens der Islamisten auch entlang dieser Grenze – der längsten Israels. Israels Strategen müssen neu planen.