Holocaust

Neue Fotos von NS-Deportationen aufgetaucht

Im Dezember 1941 deportieren die Nazis Juden von Bielefeld aus in Konzentrationslager, wie auf diesem schon zuvor bekannten Foto zu sehen ist. Foto: picture-alliance / akg-images

Es ist November 1941, die Menschen drängen sich in ihren Mänteln im Biergarten, um sie herum liegt Gepäck. Andere Fotos zeigen Ankommende, die Kinder an den Händen halten, oder eine Person im Rollstuhl. Auf einem Bild von April 1942 betreten Menschen mit Rucksäcken eine Gaststätte.

Sie befindet sich in Breslau (Wroclaw), ihr Name: »Schießwerder«. Fast alle Leute auf diesen Fotos sind hier zum letzten Mal zu sehen - kaum jemand von ihnen überlebte diese NS-Deportationen. Erst kürzlich waren die Bilder entdeckt und analysiert worden, Fachleute sprechen von »einzigartigen Fotos«.

Zum Holocaust-Gedenktag an diesem Samstag zeigt eine internationale Forschungsgruppe diese Fotos von Juden. »Der ebenso zufällige wie herausragende Archivfund des Kollegen Steffen Heidrich in Dresden ermöglicht völlig neue Perspektiven auf die Deportationen von als Juden verfolgten Menschen in Breslau«, erklärte Alina Bothe, Leiterin des Forschungsprojekts »#LastSeen«.

Großes Risiko

Die Bilder stammen demnach von einem jüdischen Fotografen, der sie unter großem Risiko heimlich aus einem Versteck gemacht hatte.

Es handele sich um 13 Originalabzüge von Albert Hadda (1892-1975), der die Verfolgung durch die Nazis überlebt habe. »Bis zur Befreiung versteckte er sich in Breslau. Später gelangte er mit einem Transport Überlebender aus Breslau erst nach Erfurt, später lebte er in Fulda. Es ist anzunehmen, dass Hadda die Fotos in Erfurt übergab und sie von dort nach Dresden gelangten«, erklärten die Forschenden.

»Die Bilder zeigen die klare Intention des Fotografen, das schreckliche Geschehen für die Nachwelt zu dokumentieren. Dies ist außergewöhnlich, da nur sehr wenige Fotografien von Deportationen überliefert sind, die von Verfolgten aufgenommen wurden«, hieß es.

Digitaler Bildatlas

Vor kurzem seien die Aufnahmen in Archivbeständen des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Dresden entdeckt und erforscht worden. Am Freitag sollten die Fotos in dem digitalen Bildatlas #LastSeen veröffentlicht werden.

Zwölf Fotos stammen den Angaben zufolge von November 1941, ein weiteres Foto wurde im April 1942 gemacht. Am 21. November 1941 habe die Polizei mehr als 1000 Menschen verhaftet und in die Gaststätte gebracht. Nach vier Tagen auf engstem Raum seien sie mit einem Zug nach Kaunas gebracht und kurz nach ihrer Ankunft erschossen worden. Niemand habe überlebt. »Die Fotos sind damit die letzten Zeugnisse der Ermordeten«, so die Fachleute.

Ab dem 9. April 1942 wurden demnach erneut fast 1000 Personen in der Gaststätte versammelt und von dort vier Tage später mit einem Zug nach Izbica transportiert. Nur zwei von ihnen überlebten. Heidrich, Historiker und Mitarbeiter des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, war den Angaben zufolge bei der Sichtung des Archivs des Landesverbands vor einigen Monaten auf die Fotos gestoßen.

Der Forschungsverbund »#LastSeen. Bilder der NS-Deportationen« hat nach eigenen Angaben seit 2021 rund 500 NS-Deportationsfotos aus 60 Städten aus dem Gebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 zusammengetragen. »Viele der abgebildeten verfolgten Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma oder ›Euthanasie‹-Opfer sind auf den Bildern zum letzten Mal zu sehen.«

Interview

»Niemand soll jetzt die Hände in Unschuld waschen«

Michel Friedman über seinen Austritt aus der CDU, die Debatte um Friedrich Merz und die Bedeutung von Glaubwürdigkeit in der Politik

von Michael Thaidigsmann  30.01.2025

Frankfurt am Main

»Antisemitische Reaktion« im Studio des Hessischen Rundfunks

Die deutsch-israelische Informatikexpertin Haya Schulmann erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Moderatorin und die Redaktion des Hessischen Rundfunks

von Imanuel Marcus  30.01.2025 Aktualisiert

Frankfurt

»Unentschuldbares Machtspiel«: Michel Friedman tritt aus CDU aus

Friedrich Merz habe mit der Abstimmung im Bundestag die »Büchse der Pandora« geöffnet, so der Publizist

 30.01.2025

Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Tut die Bundesregierung genug für ihre verschleppten Staatsbürger in Gaza? Kritiker haben daran Zweifel

von Detlef David Kauschke  30.01.2025

Studie

Wann war die AfD bei Abstimmungen wichtig?

Die AfD hat im Bundestag für eine Mehrheit des Unionsantrags für schärfere Migrationspolitik gesorgt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Mehrheiten beschafft

 30.01.2025

Vandalismus

CDU-Geschäftsstellen in Dortmund und Lünen beschmiert

Zuvor wurde eine Schützenhalle im Sauerland besprüht. Die Taten stehen mutmaßlich im Zusammenhang mit einem Unionsantrag, der mithilfe von AfD-Stimmen im Bundestag verabschiedet wurde

 30.01.2025

Debatte

Holocaust-Überlebende Eva Umlauf: »Tun Sie es nicht, Herr Merz«

Eva Umlauf hat als kleines Mädchen das NS-Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Sie richtet einen direkten Appell an die Union, nicht mit der AfD zu stimmen

 30.01.2025

Berlin

NS-»Euthanasie«-Opfer erhalten Anerkennung durch den Bundestag

Die Nationalsozialisten ließen massenhaft Patienten und Insassen von Heil- und Pflegeanstalten sowie von »rassisch« und sozial unerwünschten Menschen ermorden

 30.01.2025

Freiburg

Jüdische Gemeinde sieht »untragbare Lage« an Albert-Ludwigs-Universität

In einem offenen Brief an Rektorin Kerstin Krieglstein heißt es, jüdische Studenten würden ausgegrenzt. Das ist offenbar nur die Spitze des Eisbergs

von Imanuel Marcus  30.01.2025