Deutschland

»Neue Entschlossenheit gegen Rechts«

Armbrust, Wurfanker, Säbel, Luftdruckgewehr – Waffenfund in Jena am 12. Februar 1998 Foto: dpa

Nach Bekanntwerden der mutmaßlichen rechten Mordserie an Migranten fordern Repräsentanten des jüdischen Lebens
Kurskorrektur bei der staatlichen Extremismusbekämpfung.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann verlangt »eine neue Entschlossenheit im Kampf gegen Rechts«. Man brauche einen resoluten Ruck gegen Rechts. »Der Zentralrat der Juden hat über Jahre hinweg immer wieder betont, man müsse die Gefahr von Rechts viel ernster nehmen – und nicht immer hat man unsere Warnungen wirklich ernst genommen«, sagte Graumann. Sollten sich die Indizien nun erhärten, habe man es mit einem »widerlichen Rechts-Terrorismus zu tun, der offenbar viele Jahre lang fast ungehindert Menschen ermorden konnte, die ihm offenbar ›nicht lebenswert‹ erschienen«.

Auch Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, kann nicht verstehen, wie die NSU über einen derart langen Zeitraum unentdeckt bleiben konnte: »Das ist ein unprofessioneller Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus und Schutz von Migranten«, sagte die Publizistin der Jüdischen Allgemeinen.

Konsequenzen Grigori Lagodinsky, Jurist und stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kassel sagte: »Sollte sich bestätigen, dass die Geheimdienste sich nach- lässig verhalten haben, ist dies eine gravierende Entwicklung und beunruhigt uns als Jüdische Gemeinde sehr.« Die organisierten Anschläge seien eine erschreckende Entwicklung. Dies zeige: »Die sehr gute Unterstützung der Polizei vor Synagogen und Einrichtungen ist zwar nötig aber leider nicht ausreichend, wenn im Untergrund Nazis Anschläge ohne weiteres planen und ausführen können.« Nun müssten die politischen Verantwortlichen Konsequenzen ziehen, Strategien überdenken oder endlich entwickeln und den Rechtsextremismus aktiv bekämpfen.

Im Zuge der Ermittlungen um die NSU wird auch die Forderung nach einem erneuten Anlauf für ein NPD-Verbot laut. »Am NPD-Verbot führt nun absolut kein Weg mehr vorbei«, sagte Dieter Grauman. Allerdings betonte er auch: »Das alleine genügt aber längst nicht. Wir müssen auch dort aktiv sein, wo Rechtsradikale sich genüsslich tummeln: in der rechten Musikszene, in einschlägigen Kameradschaften, in einem Teil der Hooligan-Szene, in den neuen sozialen virtuellen Netzwerken.«

NPD-Verbot Auch die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat ein NPD-Verbot gefordert. Alle juristischen Möglichkeiten müssten ausgelotet werden, »um die Verherrlichung des Nationalsozialismus auf unseren Straßen zu verhindern«, sagte Knobloch bei einer Gedenkfeier zum Volkstrauertag am Sonntag in München.

Anetta Kahane sieht ein NPD-Verbot kritisch: »An dieser Stelle wieder diese Karte zu ziehen, ist nicht angebracht.« Und Grigori Lagodinsky unterstreicht: »Ein NPD-Verbot ist zwar erstrebenswert, aber ein erneutes Scheitern des Verbotsverfahren, darf sich insbesondere im Lichte der aktuellen Ereignisse nicht wiederholen – das wäre ein fatales Signal.«

Anschläge Seit 13 Jahren sollen zwei Männer und eine Frau einer von ihnen gegründeten rechten Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) angehören. Ihnen wird vorgeworfen, mindestens zehn Menschen getötet und mehrere schwere Anschläge verübt zu haben. Die Bundesanwaltschaft prüft derzeit noch, ob sie in Berlin für zwei Anschläge verantwortlich sind, bei denen das Grab des früheren

Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, und Gräber auf dem jüdischen Friedhof beschädigt wurden.

Auch ein Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 in Düsseldorf wird in diesem Zusammenhang neu untersucht. Drei Männer und sieben Frauen wurden verletzt, ein Ungeborenes im Leib der Mutter durch einen Splitter getötet, als auf dem S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn eine Bombe explodierte. Die Mehrzahl der Opfer waren jüdische Zuwanderer.

Ermittlungen Der Verdacht wiegt schwer, denn politische Beobachter werfen dem Verfassungsschutz, dem die drei mutmaßlichen Täter bekannt waren, schwere Versäumnisse vor. Er habe sich mit der Polizei nicht über wichtige Ermittlungsdetails ausgetauscht. Das kritisiert nicht nur Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), sondern auch die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Washington D.C.

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