Während der Sichtung des Tatvideos am zweiten Prozesstag zum Halle-Anschlag haben mehrere Nebenkläger den Gerichtssaal verlassen. Einige weitere schauten am Mittwoch weg, als das gut halbstündige Video gezeigt wurde.
Manche bedeckten ihre Augen und hielten die Hände ihrer Anwälte oder Begleiter. Im Gebäude des Magdeburger Landgerichts kümmerten sich sechs Seelsorger um die Verletzten und Hinterbliebenen des Anschlags. Aber auch Besucher und Journalisten konnten ihre Hilfe in Anspruch nehmen.
holocaust Das verwackelte Video beginnt mit einer englischen Ansprache des Attentäters, in der er den Holocaust leugnet und Juden als »Quelle allen Übels« bezeichnet. In seinem Auto waren sichtbar zahlreiche Waffen deponiert, mit denen er im Verlauf wie in einem Videospiel um sich schießt.
Mehrfach attackierte er die Synagoge mit der Holztür, schaffte es jedoch nicht, auf das Gelände zu gelangen. Als eine 40 Jahre alte Passantin vorbeiging, erschoss er sie, ebenso wie einen 20 Jahre alten Mann in einem Döner-Imbiss, der zuvor noch um sein Leben flehte.
Stephan B. folgte dem Video konzentriert, anfangs mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Stephan B. folgte dem Video konzentriert, anfangs mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Anwälte der Nebenklage machten einen psychologischen Gutachter im Saal darauf aufmerksam. Im Anschluss an die Sichtung unterbrach Richterin Ursula Mertens die Sitzung für 45 Minuten.
VORWÜRFE Unterdessen hält ein Gutachter den Angeklagten nach Darstellung seiner Verteidigung für voll schuldfähig. »Das ist jedenfalls die vorläufige Auffassung des Sachverständigen«, sagte Verteidiger Hans-Dieter Weber am Mittwoch in Magdeburg. Unklar blieb am zweiten Prozesstag zunächst, auf welches Gutachten genau er sich dabei bezog.
Der Verteidiger von Stephan B. sehe seine Hauptaufgabe darin, für den Ablauf eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu sorgen, da die Tat im Wesentlichen auf einem Video festgehalten sei.
Zu den Aussagen seines Mandanten sagte er, es sei die freie Entscheidung des Angeklagten, was er mache. »Es ist nicht meine Aufgabe, ihn in irgendeiner Form zu maßregeln.«
Natürlich habe sich sein Mandant beraten lassen, sagt Stephan B.s Verteidiger. »Das heißt jetzt nicht, dass er unseren Ratschlägen unbedingt folgt.«
In dem »ein oder anderen Punkt« sei er mit Blick auf die Vorwürfe anderer Auffassung als die Staatsanwaltschaft. Genauer wurde er nicht. Natürlich habe sich sein Mandant beraten lassen. »Das heißt jetzt nicht, dass er unseren Ratschlägen unbedingt folgt.«
SYNAGOGE Der Attentäter hatte im Herbst 2019 schwer bewaffnet versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen. Laut Bundesanwaltschaft wollte er bei der Tat am 9. Oktober 2019 möglichst viele der 52 Besucher der Synagoge töten.
Der Mann konnte sich jedoch auch mit Waffengewalt keinen Zutritt zum Gebäude verschaffen. Daraufhin tötete er eine Passantin vor der Synagoge und einen Mann in einem Döner-Imbiss. Beide Taten hat er bei der Verhandlung freimütig eingeräumt. dpa/epd