Justiz

Nebenklage-Plädoyers im Halle-Prozess abgeschlossen

Max Privorozki (2.v.r.) von der Jüdischen Gemeine Halle am Dienstag im Verhandlungssaal. Foto: imago images/Christian Schroedter

Im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter Stephan B. haben sich weitere Nebenklagevertreter den Forderungen der Bundesanwaltschaft nach lebenslanger Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung angeschlossen. Neben den Schlussvorträgen der Anwälte ergriffen am Dienstag auch mehrere Überlebende aus der Synagoge von Halle selbst das Wort.

Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, sagte vor dem Oberlandesgericht Naumburg, für ihn sei es wichtig gewesen, das Geschehen zu verstehen, ob es sich wirklich um einen Einzeltäter handelte, ob es Mitwisser oder Unterstützer der Tat gegeben habe.

FAMILIE Privorozki sagte, der Ursprung für den Hass des Angeklagten seien weder das Internet noch die Ereignisse vor fünf Jahren: »Die Quelle ist die Familie des Angeklagten.« Es sei schade, dass die Eltern von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hätten und so die weitere Aufklärung, wie ihr Kind zum Mörder geworden sei, verhinderten.

»Du darfst nicht Teil von unserer Gesellschaft sein. Wir schließen Dich aus. Du hast das Recht zu leben, aber nicht mehr mit uns.«

Christina Feist, die den Anschlag in der Synagoge ebenfalls miterlebte, warnte davor, dass Antisemitismus und Rassismus noch immer tief verwurzelt in der Gesellschaft seien. Das Narrativ vom armen, irren Einzeltäter sei widerlegt worden. Zugleich rief sie zu Mut und Zivilcourage auf und forderte, nicht zu schweigen.

Sebastian Scharmer, Anwalt eines Gastes im Döner-Imbiss, verlas eine Erklärung seines Mandanten. Darin richtete er sich direkt an den Angeklagten: »Du darfst nicht Teil von unserer Gesellschaft sein. Wir schließen Dich aus. Du hast das Recht zu leben, aber nicht mehr mit uns.« Er hoffe ernsthaft, dass B. seine Tat eines Tages bereuen werde.

Rechtsanwältin Doreen Blasig-Vonderlin vertritt einen Arbeitskollegen des von dem Attentäter ermordeten Kevin S., der mit ihm zum Tatzeitpunkt im Kiez-Döner war. Sie sagte, ihr Mandant sei stark traumatisiert, mache sich schwere Vorwürfe und gebe sich die Schuld am Tod von Kevin S., weil er mit ihm in den Imbiss gegangen war.

AGITATION Rechtsanwalt Tobias Böhmke betonte, dass politische Agitation in einem Gerichtssaal nichts zu suchen hätte. An den Angeklagten gerichtet sagte er: »Sie sind kein politischer Angeklagter. Sie sind ein Mörder.« Der seit Juli laufende Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg findet aus Sicherheits- und Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. Insgesamt gibt es 45 Nebenkläger, die von 23 Anwälten vertreten werden. Nach den Schlussvorträgen der Betroffenen erhoben sich aus Solidarität wieder Nebenkläger und Publikum von ihren Plätzen.

»Sie sind kein politischer Angeklagter. Sie sind ein Mörder«, sagt Rechtsanwalt Tobias Böhmke zu Stephan B.

B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation heraus versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 51 Menschen auf, um den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu feiern. B. scheiterte an der Tür zum Gelände, erschoss dann die 40-Jährige Jana L. auf der Straße und den 20-jährigen Kevin S. in einem Döner-Imbiss und verletzte weitere Menschen. In dem seit Juli laufenden Prozess wurden 86 Zeugen und acht Sachverständige gehört.

Am Mittwoch sollen die Verteidiger des 28-Jährigen ihre Schlussvorträge halten. Zudem hat der Angeklagte die Möglichkeit zum letzten Wort. Ein Urteil wird für den 21. Dezember erwartet.

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert