Gegen die Neubrandenburger Richter im sogenannten Auschwitz-Prozess läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung. Eine entsprechende Strafanzeige haben die Nebenkläger-Anwälte Thomas Walther und Cornelius Nestler bei der Staatsanwaltschaft Stralsund gestellt, wie sie am Wochenende mitteilten.
Walther und Nestler werfen dem Gericht in Neubrandenburg vor, die Nebenkläger Walter Plywaski (87) und William Plywaski (86) aus Boulder/USA zu Unrecht aus dem Verfahren ausschließen zu wollen.
Auschwitz In dem Prozess geht es um den 96 Jahre alten Angeklagten Hubert Z., der als SS-Sanitäter im Sommer 1944 mehrere Wochen im KZ Auschwitz-Birkenau gearbeitet haben soll. Ihm wird zur Last gelegt, von Mitte August bis Mitte September 1944 durch seine Tätigkeit dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Leute im KZ handlungsfähig waren und die Massenvernichtung von Deportierten ausführen konnten.
In dem fraglichen Zeitraum kamen laut Anklage 14 Züge mit Häftlingen an, die in den Gaskammern ermordet wurden. Im Fall einer Verurteilung drohen Hubert Z. drei bis 15 Jahre Haft.
Die Nebenkläger Plywaski hatten mit 14 beziehungsweise 15 Jahren ihre Mutter 1944 in der Gaskammer des Vernichtungslagers verloren. Das Neubrandenburger Gericht hatte ihnen zweimal die Berechtigung zur Nebenklage abgesprochen. Beide Male hatten höhere Instanzen diesen Beschluss widerrufen, zuletzt Anfang März 2017. Ende März warfen Auschwitz-Überlebende dem Gericht in einem Offenen Brief vor, den Prozess verhindern oder sabotieren zu wollen.
Gutachten Bereits im Februar 2015 hatte die Staatsanwaltschaft Schwerin Anklage gegen Hubert Z. erhoben. Doch statt um die Verantwortung des Angeklagten und das historische Geschehen gehe es in dem Verfahren bisher nur um die Gebrechen des Angeklagten, beklagen die Kritiker. Obwohl ein fachpsychiatrisches Gutachten die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten festgestellt hatte, habe das Gericht bislang keine umfassende Prozessplanung vorgenommen.
Systematisch seien die Nebenkläger seit über eineinhalb Jahren von den Richtern der Neubrandenburger Schwurgerichtskammer an ihrer Beteiligung an dem Verfahren gehindert worden, beklagen ihre Anwälte. Dies erfülle »den Tatbestand des Verbrechens der Rechtsbeugung« seitens des Gerichts. epd