Antisemitismus

Nazischmöker bei Amazon

Foto: dpa

Der Online-Händler Amazon sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt: Auf diversen Webseiten des Internetriesen wird seit einigen Jahren das antisemitische Kinderbuch Der Giftpilz angeboten – und das gleich in mehreren Sprachen. Julius Streicher, Gründer und Herausgeber des Hetzblatts »Der Stürmer« und später auch NSDAP-Gauleiter von Nürnberg, hatte das Machwerk herausgebracht.

NAZIPROPAGANDA Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte der »Jüdischen Allgemeinen« auf Anfrage: »Unabhängig von einer rechtlichen Bewertung muss Amazon endlich seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Ich erwarte, dass das Unternehmen jede Form von Nazipropaganda konsequent von seiner Plattform entfernt und künftig alles unternimmt, diese widerliche Hetze nicht mehr weiter zu verbreiten.«

Auf dem Umschlag einer unter anderem bei den Amazon-Ablegern in Frankreich und Großbritannien erhältlichen Nachkriegsausgabe des Buches ist die Karikatur der Erstausgabe von 1938 abgebildet. Sie stellt einen Juden mit Hakennase in Form eines Pilzes dar, auf dessen Stiel ein Davidstern zu sehen ist.

geschäftsführung In einem Schreiben an die Geschäftsführung forderte Karen Pollock vom Holocaust Educational Trust in London Amazon jetzt auf, das »obszöne« Streicher-Buch umgehend aus dem Verkauf zu nehmen und künftig zu verhindern, dass erneut Schriften mit antisemitischem Inhalt auf den Seiten des Unternehmens angeboten würden.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Bereits in der Vergangenheit habe man auf ähnliche Fälle hingewiesen, so Pollock. Vor einigen Wochen strich Amazon UK mehrere Bücher von seiner Webseite, in denen Juden unter anderem die Schuld am Ausbruch von Weltkriegen gegeben wird.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht: »Ich erwarte, dass das Unternehmen jede Form von Nazipropaganda konsequent von seiner Plattform entfernt.«

Neben dem Giftpilz finden sich aber nach wie vor NS-Hetzschriften auf Amazon-Seiten. So vertreibt der US-Internetriese auch über die deutsche Amazon-Seite eine englischsprachige Version des Buches Die Judenfrage im Unterricht von Fritz Fink. Sie erschien 1937 ebenfalls im Stürmer-Verlag, Julius Streicher steuerte ein Vorwort bei.

publikum Das 64 Seiten lange Buch Der Giftpilz richtete sich während der NS-Zeit in erster Linie an ein junges Publikum. Es enthält Zeichnungen und Kurzgeschichten. Gleich zu Anfang wird beschrieben, wie eine Mutter ihren Sohn beim Pilzesammeln in den Wald begleitet und ihm dort erklärt, dass es auch unter den Menschen einen Giftpilz gebe: den Juden.

Später ist in dem Buch zu lesen, wie sich jüdische Ärzte angeblich an deutschen Mädchen vergingen, dass jüdische Kaufleute Betrüger seien und es überhaupt keine »anständigen Juden« geben könne. Zum Schluss folgert der Verfasser, dass die »Rettung der Menschheit« die »Lösung der Judenfrage« erfordere.

Julius Streicher wurde 1946 vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Prozess wurde das Werk als Beweismittel gegen ihn verwendet.

Eigentlicher Verfasser der Texte im Giftpilz war Streichers Mitarbeiter Ernst Hiemer, der Schriftleiter des »Stürmer«. Für die Bebilderung zeichnete Philipp Rupprecht verantwortlich, der unter dem Künstlernamen »Fips« auch im »Stürmer« zahlreiche antijüdische Karikaturen veröffentlichte. Rupprecht wurde nach dem Krieg zu zehn Jahren Straflager verurteilt, 1950 aber vorzeitig entlassen. Hiemer musste drei Jahre lang in ein Internierungslager, die Ausübung des Lehrerberufs wurde ihm untersagt.

Kommentar

Erdoğans Vernichtungswahn ist keine bloße Rhetorik

Der türkische Präsident hat nicht nur zur Auslöschung Israels aufgerufen, um von den Protesten gegen ihn abzulenken. Deutschland muss seine Türkeipolitik überdenken

von Eren Güvercin  01.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  01.04.2025

USA

Grenell könnte amerikanischer UN-Botschafter werden

Während seiner Zeit in Berlin machte sich Grenell als US-Botschafter wenig Freunde. Nun nennt Präsident Trump seinen Namen mit Blick auf die Vereinten Nationen. Aber es sind noch andere im Rennen

 01.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  01.04.2025

Judenhass

Todesstrafen wegen Mordes an Rabbiner in Emiraten

Ein israelischer Rabbiner wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten getötet. Der Iran wies Vorwürfe zurück, die Täter hätten in seinem Auftrag gehandelt. Drei von ihnen wurden zum Tode verurteilt

von Sara Lemel  31.03.2025

Vereinten Nationen

Zweite Amtszeit für notorische Israelhasserin?

Wird das UN-Mandat von Francesca Albanese um drei Jahre verlängert? Das Auswärtige Amt drückt sich um eine klare Aussage

von Michael Thaidigsmann  31.03.2025

Meinung

Marine Le Pen: Zu Recht nicht mehr wählbar

Der Ausschluss der Rechtspopulistin von den Wahlen ist folgerichtig und keineswegs politisch motiviert

von Michael Thaidigsmann  31.03.2025

Essay

Dekolonisiert die Dekolonialisierung!

Warum die postkoloniale Theorie jüdische Perspektiven anerkennen muss

von Lisa Bortels  31.03.2025

Türkei

Erdoğan: »Möge Allah das zionistische Israel zerstören«

Ein antisemitisches Statement von Präsident Recep Tayyip Erdoğan löst einen Streit mit dem jüdischen Staat aus

 31.03.2025