Antisemitismus

Nächste Instanz für Prozess um »Judensau«

Die als »Judensau« bekannte Schmäh-Skulptur an der Stadtkirche Wittenberg Foto: Gregor Zielke

Die Verhandlung über eine mögliche Entfernung der antisemitischen Schmäh-Skulptur »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche geht in die nächste Instanz. Richter Thomas Tilch erklärte das Amtsgericht Wittenberg am Montag mit Verweis auf den zu hohen Streitwert für nicht zuständig.

Damit gab der Amtsrichter dem Antrag des Klägeranwalts statt, das Verfahren an das Landgericht Dessau-Roßlau zu überweisen. Zuvor war der Versuch eines Vergleichs zwischen den Streitparteien gescheitert.

Streitwert Tilch erklärte, das Amtsgericht dürfe nur Streitwerte von bis zu 5.000 Euro verhandeln. Im Fall der «Judensau» liege er jedoch in etwa doppelt so hoch. Zuvor hatte Klägeranwalt Ludwig Benecke erklärt, ein Steinmetz habe ihm gegenüber die Kosten für eine eventuelle Entfernung des Reliefs auf rund 10.000 Euro beziffert.

Das Sandsteinrelief aus dem Jahr 1305 zeigt einen Rabbiner, der einem Schwein unter den Schwanz schaut und Juden, die an den Zitzen der Sau trinken. Im Mittelalter wurden durch solche Abbildungen, die auch an anderen Kirchen in Deutschland zu finden sind, Juden geschmäht. Die Debatte um die Wittenberger «Judensau» hatte im vergangenen Jahr zum 500. Reformationsjubiläum erneut an Schärfe zugenommen.

Die Zivilklage war von Michael Düllmann eingereicht worden, einem Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Berlin. Sie lautete unter anderem auf Beleidigung nach Paragraf 185 Strafgesetzbuch, da die rund 700 Jahre alte Skulptur an der Fassade der Kirche Menschen jüdischen Glaubens diffamiere. Düllmann fordert von der Kirchengemeinde, die «Judensau» zu entfernen.

Nach der Verhandlung sagte Düllmann, wer die Juden ihrer Menschenwürde beraube, beraube jeden Menschen seiner Menschenwürde. «Wenn die Juden zu Schweinen erklärt werden können, kann jeder Mensch zu einem Schwein erklärt werden», so Düllmann.

Originalobjekt
Stadtkirchenpfarrer Johannes Block, der als einer von drei Vertretern der Beklagtenseite erschienen war, bekräftigte nach der Verhandlung die Position der Gemeinde, mit dem Originalobjekt am Originalschauplatz verantwortlich der Geschichte gedenken zu wollen.

Zugleich äußerte der Pfarrer Verständnis für die Position des Klägers. Natürlich handele es sich bei der «Judensau» um ein verspottendes Schmähobjekt, und «es wäre fatal, wenn so eine Plastik keine Erschütterung auslösen würde», sagte Block. Es gehe jedoch auch um die Frage der Gedenkkultur, fügte der Pfarrer hinzu. Die Gemeinde sei davon überzeugt, dass Geschichte zugegeben werden müsse und nicht verborgen werden dürfe. Man müsse mit der «negativen Geschichte so umgehen, dass etwas Positives daraus wird», betonte der Pfarrer.

Mahnmal Die Stadtkirchengemeinde hatte bereits 1988 ein Mahnmal eingeweiht, das sich unter anderem kritisch mit der Schmähplastik befasst. Auch der Stadtrat sprach sich für einen Erhalt der Skulptur aus.

Reformator Martin Luther (1483-1546) hetzte besonders in seinem Spätwerk gegen Juden. Die evangelische Kirche setzte sich anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 wiederholt mit dieser Schattenseite des Reformators auseinander. Der Überlieferung nach veröffentlichte Luther am 31. Oktober 1517 an der Wittenberger Schlosskirche seine 95 Thesen mit Kritik an der Kirche seiner Zeit. Der Thesenanschlag gilt als Auslöser der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte. (epd)

Weiden

Muslimischer Prediger rief zur Tötung von Juden auf – Bewährungsstrafe

Neben der Freiheitsstrafe auf Bewährung wurde dem Mann eine Geldstrafe auferlegt

 13.12.2024

Israel

TV-Bericht: Netanjahu wurde vor dem 7. Oktober von zwei Seiten vor Angriff gewarnt

Im Krankenhaus soll der Ministerpräsident auf die Bedrohung angesprochen worden sein. Sein Büro spricht von »Verleumdung und Lügen«

 13.12.2024

Nahost

Acht Hamas-Mitglieder in Gaza getötet

Zu den Terroristen gehört ein Mann, der am Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel beteiligt war

 13.12.2024

Berlin/Jerusalem/Tel Aviv

60 Jahre diplomatische Beziehungen: Deutsch-israelischer Buchmesse-Pavillion abgesagt

Regierungsbeamte in Israel sind enttäuscht. Die Bundesregierung sieht die Sache anders

 13.12.2024 Aktualisiert

Meinung

Wenn Social Media zur Gefahr für die Demokratie wird

Politik und Plattformbetreiber müssen konsequent gegen Desinformation und Hetze vorgehen

von Anna Staroselski  12.12.2024

Berlin

Roth: Israelische Angriffe auf syrische Waffenlager verständlich

Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad massiv militärische Einrichtungen in Syrien. Der SPD-Politiker zeigt dafür zum Teil Verständnis

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Baden-Württemberg

Nach antisemitischen Anfeindungen: Innenminister will Pfarrer schützen

Ein evangelischer Pastor in Langenau bei Ulm wird seit Monaten wegen seiner Kritik an den Hamas-Massakern angefeindet

 12.12.2024

Berlin

Was die Bundesregierung gegen Antisemitismus tun will

Mehr Beauftragte, mehr Programme - und trotzdem mehr Judenhass. Der neue Bericht der Bundesregierung zeigt Fortschritte und Lücken bei der Bekämpfung von Antisemitismus auf. Eine Bilanz der vergangenen vier Jahre

 12.12.2024