Herr Diekmann, der »Freundeskreis Yad Vashem« wurde 1997 gegründet. Was bedeutet Ihnen jetzt dieser 25. Jahrestag?
Der Jahrestag ist kein Feiertag, ganz im Gegenteil: Uns allen wäre lieber, es bräuchte diesen Freundeskreis und den Anlass für dessen Gründung nicht, nämlich das ungeheure Verbrechen an den Juden, das von Deutschen begangen wurde. In der weltweiten Gemeinschaft von Freundeskreisen ist der deutsche mit 25 Jahren einer der jüngsten. Aber in keinem anderen Land ist die Erinnerung so wichtig. Die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten, ist das Anliegen, dem wir uns verpflichtet haben.
Wie werden Sie dem Anliegen gerecht?
Erinnerung kann rational und analytisch sein, wie beispielsweise die an den Ersten Weltkrieg. Der Holocaust ist etwas anderes. Er war der Zivilisationsbruch schlechthin. Ich halte es daher für unglaublich wichtig, dass die Erinnerung daran wirklich lebendig bleibt und nicht in einer Schublade verschwindet.
Wie ist das zu erreichen?
Helmut Kohl hat immer davon gesprochen, dass man Geschichte in Geschichten erzählen muss. Damit werden nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen erreicht. Nun kann niemand die Geschichten besser erzählen als die Überlebenden, die Zeugnis davon ablegen, was sie erfahren und erlebt haben. Es gibt immer weniger Zeitzeugen, und in naher Zukunft wird es überhaupt keine mehr geben. Nun geht es darum, eine neue Art des Erinnerns zu finden. Das ist eine große Herausforderung, vor der wir stehen.
Wie soll diese neue Art des Erinnerns aussehen?
Unsere Aktion »Licht zeigen« war ein Beispiel dafür: Im Mittelpunkt standen der Chanukkaleuchter der Kieler Familie Posner und das Foto davon. Das Anliegen war, die Geschichte dieses Bildes, des Leuchters und der Familie zu erzählen und dies in den regionalen Kontext und den historischen Kontext zurückzubringen. Tausende von Auf-
klebern des Leuchters wurden an Fenster geklebt und unter dem Hashtag #LichtZeigen in den Sozialen Medien geteilt. Die Aktion hat eine nachhaltige Erinnerung ausgelöst.
Am kommenden Sonntag wird der 25. Jahrestag mit einer Gedenkveranstaltung in Berlin begangen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sein Kommen kurzfristig angekündigt. Hat das aktuelle Gründe?
Wir leben in Zeiten, in denen eine Planbarkeit von Terminen und Ereignissen schwierig geworden ist. Der Bundeskanzler war seit Langem eingeladen. Wir freuen uns sehr über seine Zusage. Sie ist auch ein Hinweis auf die Bedeutung von Yad Vashem und der Arbeit des Freundeskreises. Ich glaube, dass es für Scholz eine gute Gelegenheit ist, an dieser Stelle eine klare Positionsbestimmung vorzunehmen – wobei ich an der Haltung der Bundesregierung und des Bundeskanzlers überhaupt keine Zweifel habe.
Mit dem Vorsitzenden des »Freundeskreises Yad Vashem« sprach Detlef David Kauschke.