Moskau

Putin empfängt Prigoschin im Kreml

Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, und Russlands Präsident Wladimir Putin (2010) Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Nach der weltweit beachteten Revolte der Wagner-Söldner hat Russlands Präsident Wladimir Putin deren Chef Jewgeni Prigoschin zu einem klärenden Gespräch im Kreml empfangen. »In der Tat hatte der Präsident ein solches Treffen, er hat dazu 35 Leute eingeladen - alle Kommandeure von Einheiten und die Führung des Unternehmens, darunter Prigoschin selbst«, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. Putin hatte die Wagner-Aufständischen zuvor öffentlich als »Verräter« beschimpft. Details des Treffens nannte Peskow nicht. Er sagte aber, dass die Wagner-Armee weiter für Russland kämpfen wolle.

Zuvor hatten Medien über das Treffen Putins mit Prigoschin berichtet. Seit Tagen hatten Experten international spekuliert über die Zukunft Prigoschins und seiner Wagner-Truppe, die für den Kreml etwa auch in Afrika und im Nahen Osten wichtig ist. Immerhin hat Putin seinem Ex-Vertrauten Prigoschin und dessen mit Panzern und Flugzeugen voll ausgestatteter Armee auch in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine erhebliche Gebietsgewinne zu verdanken. Die Wagner-Armee hatte etwa die ostukrainische Stadt Bachmut im Gebiet Donezk eingenommen, um die aber weiter gekämpft wird.

Nach Darstellung Peskows dauerte die Aussprache drei Stunden. Zu dem Treffen kam es demnach am 29. Juni - also mehrere Tage nach der am 24. Juni plötzlich beendeten Revolte Prigoschins gegen die Militärführung. Während des Gesprächs habe Putin seine Einschätzung sowohl bezüglich der Aktivitäten von Wagner auf dem Schlachtfeld in der Ukraine gegeben als auch zum Aufstand, der am 23. Juni begonnen hatte. Der Kremlchef habe sich aber auch die Version der Wagner-Offiziere zu dem Aufstand angehört, sagte Peskow.

Prigoschin hatte wenige Tage nach der Rebellion dementiert, einen Machtwechsel in Moskau angestrebt zu haben. »Wir sind losgegangen, um Protest zu demonstrieren, nicht um die Obrigkeit im Land zu stürzen«, beteuerte der 62-Jährige vor zwei Wochen in einer öffentlichen Stellungnahme. Einmal mehr wiederholte er da auch seinen Vorwurf gegen das russische Verteidigungsministerium, Militärlager der Söldner beschossen zu haben. Dabei wurden seinen Angaben nach 30 Wagner-Kämpfer getötet.

Dies sei zusätzlich zur vom Ministerium angestrebten Auflösung der Wagner-Truppe der Auslöser für den Marsch Richtung Moskau gewesen, sagte Prigoschin. Er hatte, nachdem er Verteidigungsminister Sergej Schoigu den Angriff auf das Militärlager seiner Privatarmee vorgeworfen hatte, die südrussische Stadt Rostow am Don von seinen Einheiten besetzen lassen. Bei ihrem Vormarsch auf die russische Hauptstadt schossen die Wagner-Truppen mehrere Hubschrauber und ein Flugzeug ab; mehrere Besatzungsmitglieder starben.

Prigoschin hatte stets betont, er habe sich lediglich bei Putin Gehör verschaffen wollen. Er hatte Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow immer wieder Führungsschwäche im Krieg gegen die Ukraine und Missmanagement vorgeworfen. Die Kritik prallte allerdings an den Kremlmauern ab.

Am Tag des Aufstandes schaltete sich letztlich in Belarus Machthaber Alexander Lukaschenko nach Kremlangaben ein, um in dem Konflikt zu vermitteln. Lukaschenko hatte danach auch erklärt, dass alle Seiten ihren Anteil hätten an der Eskalation in dem Machtkampf zwischen dem Verteidigungsministerium und der Wagner-Truppe. Lukaschenko meinte, dass der Streit hätte geklärt werden können, wenn sich alle - Putin, Prigoschin und Vertreter des Ministeriums - an einen Tisch gesetzt hätten. Prigoschin hatte es abgelehnt, seine Truppen der Befehlsgewalt von Minister Schoigu zu unterstellen.

Zwar veröffentlichte das Verteidigungsministerium in Moskau erstmals seit dem Aufstand am Montag wieder ein Video mit Gerassimow - wie zuvor auch von Schoigu. Unklar ist aber weiter, ob Putin auf Druck Prigoschins die Kriegsführung nun ändert. Der Wagner-Chef hält sich nach Einschätzung russischer Militärblogger weiter in Russland auf. Dabei hatte Putin erklärt, dass die Aufständischen entweder einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen, nach Hause zurückkehren oder nach Belarus übersiedeln sollten.

Lukaschenko hatte vorige Woche gesagt, dass alles hergerichtet sei für die Wagner-Armee, allerdings hätten sich weder Prigoschin noch die Söldner dort niedergelassen. Das löste Spekulationen aus, dass im Hintergrund Gespräche laufen könnten zwischen dem Machtapparat in Moskau und der Wagner-Armee. Putin kann nach Meinung von Beobachtern kein Interesse daran haben, seinen früheren Vertrauten Prigoschin, der viel über den Kremlchef weiß, dauerhaft zu seinem Gegner zu machen.

Am Wochenende hatte auch Experten des US-Instituts für Kriegsstudien ISW darauf hingewiesen, dass die Wagner-Armee eine »potenzielle Gefahr« für »Putins Regime« darstelle. Putin habe entweder ein bemerkenswertes Vertrauen in die beteuerte Loyalität Prigoschins, oder er sei unfähig, gegen die Wagner-Truppen vorzugehen, meinten die ISW-Experten. Sie gehen davon aus, dass derzeit hinter den Kulissen die Zukunft der Söldner-Armee ausgehandelt wird.

Für den Kreml gelten die etwa in Afrika und im Nahen Osten agierenden Söldner als wichtige Einflussgröße in internationalen Konflikten. Vor allem aber war die Wagner-Armee in der Ukraine lange Russlands effektivste Kampfeinheit. Angesichts der laufenden Gegenoffensive der Ukraine zur Befreiung ihrer Gebiete von der russischen Besatzung und der ersten Erfolge Kiews dürfte Putin mehr denn je auf Prigoschins Dienste angewiesen sein.

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung von Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024

Washington D.C.

US-Senat gegen Blockade einiger Waffenlieferungen an Israel

Eine Gruppe von Demokraten scheitert mit ihrem Vorstoß

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Russlands Krieg in der Ukraine

1000 Tage Krieg

Die Ukraine hat gerade ein bitteres Jubiläum begangen - 1000 Tage Krieg. Wie leben die Menschen dort, begleitet von so viel Tod und Zerstörung? Streiflichter von einem einzelnen Tag geben einen kleinen Einblick

von Illia Novikov  20.11.2024

Berlin

Prozess gegen Teilnehmer israelfeindlicher Uni-Besetzung eingestellt

Die Aktion an der Humboldt Universität bleibt auch wegen der dort verbreiteten Pro-Terror-Propaganda in Erinnerung

 20.11.2024

Meinung

Jung, jüdisch, widerständig

Seit dem 7. Oktober 2023 müssen sich junge Jüdinnen und Juden gegen eine Welle des Antisemitismus verteidigen

von Joshua Schultheis  20.11.2024

USA

Trump nominiert Juden für das Handelsministerium

Howard Lutnick ist Chef des New Yorker Finanzunternehmens Cantor Fitzgerald

von Andrej Sokolow  20.11.2024

Wien

IAEA: Iran will Uran-Produktion beschränken

Dabei hat das Mullah-Regime seinen Uran-Vorrat zuvor massiv aufgestockt

 20.11.2024