Berlin

Gesine Schwan sorgt mit Nazi-Vergleichen für Eklat

Während die SPD-Politikerin ihre Festrede zum 75. Jubiläum der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hielt, verließen mehrere Zuhörer den Saal. Der Veranstalter distanziert sich von Schwan

von Stefan Meetschen  03.12.2024 22:14 Uhr

Gesine Schwan Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Während die SPD-Politikerin ihre Festrede zum 75. Jubiläum der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hielt, verließen mehrere Zuhörer den Saal. Der Veranstalter distanziert sich von Schwan

von Stefan Meetschen  03.12.2024 22:14 Uhr

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Berlin distanziert sich von der Festrede zu ihrem 75. Jubiläum, die die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan am Sonntag gehalten hat. »Wir bitten um Entschuldigung für diese unpassende Rede und distanzieren uns von ihr«, teilte die Gesellschaft am Dienstag in einer Stellungnahme mit.

Leider habe sich Frau Schwan entgegen den Erwartungen nicht nur auf das Jubiläum konzentriert, sondern ihre Rede in »unangemessener Form« auch auf die aktuelle politische Lage in Israel fokussiert. »Dabei äußerte sie sich sehr kritisch zum Vorgehen der israelischen Regierung gegen die Hamas, was bei vielen unserer Gäste, insbesondere den jüdischen Mitgliedern, großes Unbehagen und Entsetzen auslöste«, heißt es in der Stellungnahme weiter.

Schwan rückte Netanjahu in die Nähe des Nazi-Vordenkers Carl Schmitt

Was war passiert? Gesine Schwan hatte in ihrer Rede behauptet, dass das von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu postulierte Ziel eines »totalen Sieges« über die Hamas darauf hinausliefe, dass die israelische Armee unterschiedslos Zivilisten und Terroristen töten würde.

Der »totale Sieg« sei »in der Logik Carl Schmitts nicht anders als durch eine völlige Vernichtung aller realen und potenziellen Hamas-Kämpfer denkbar. Damit gibt es keine Grenze mehr gegen die Tötung der palästinensischen Zivilgesellschaft«.

Brisant: Schwan unterstellt Netanjahu damit, den Denkmustern des Nazi-Vordenkers Carl Schmitt (1888–1985) zu folgen. Der politische Philosoph und Jurist hatte die Diktatur der Nationalsozialisten in seinen Schriften legitimiert. So rechtfertigte er den Putsch gegen SA-Chef Ernst Röhm mit den Worten: »Der Führer schützt das Recht.«

Es sollte nicht der einzige Nazi-Vergleich von Gesine Schwan an diesem Abend bleiben. Die Brücke dahin führte über das Westjordanland. Die israelische Regierung habe die »zunehmend offene Absicht«, dieses zu annektieren. Fakt ist: Rechte Minister wie Itamar Ben-Gvir oder Bezalel Smotrich fordern von Netanjahu, illegale israelische Siedlungen zu annektieren. Pläne der israelischen Regierung, sich das gesamte Gebiet einzuverleiben, gibt es aber nicht.

Für Schwan ist offenbar dennoch klar, dass die israelische Politik »implizit und explizit auf die Vertreibung oder Vernichtung der Palästinenser als Nation ausgerichtet« sei. Eine solche Politik bringe keinen Frieden und widerspreche auch »den moralischen Verpflichtungen und den Menschenrechten, auf die sich die Deutschen im Nationalsozialismus und nach ihm berufen haben«.

Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission ist, legitimiert damit ihre Kritik an Israel mit den Lehren aus dem Nationalsozialismus.

Sensibilität als Basis

Nach Informationen der Jüdischen Allgemeinen verließen daraufhin mindestens drei Zuhörer empört den Saal, allen voran Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

Die Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Berlin, Karlies Abmeier, die bei der Festveranstaltung als Podiumsteilnehmerin eingeladen war, sagte am Dienstag, dass Schwan ihre Rede in einem akademischen Rahmen hätte halten können.

»Die Ausführungen von Frau Schwan waren dem Anlass und dem Rahmen der Veranstaltung nicht angemessen. Gerade mit Blick auf die jüdischen Zuhörer im Saal, welche derzeit in Berlin in großer Sorge um ihre Sicherheit leben, waren die Worte von ihr nicht immer gut gewählt«, so Abmeier. Das sei bedauerlich. »Wir brauchen gerade jetzt Sensibilität als Basis für den Dialog.« Darin liege auch die Stärke der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in den vergangenen 75 Jahren.«

Schwan selbst äußerte sich nun zu dem Vorwurf: »Als ich im Sommer telefonisch eingeladen wurde, die Festrede zu halten, habe ich gezögert und meine Zusage davon abhängig gemacht, dass ich zuvor besprechen kann, was dabei für mich wichtig sein würde: eine Auseinandersetzung mit dem historischen und dem gegenwärtigen Gebrauch des Wortes Antisemitismus«, teilte Schwan der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstagabend mit. Dieses Gespräch habe stattgefunden.

»Aktueller Gebrauch des Wortes Antisemitismus«

»Daraus ergab sich die Vereinbarung, dass ich einen größeren Teil der Rede der Geschichte der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit widmen würde und dies in einen kleineren Teil der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Gebrauch des Wortes Antisemitismus münden lassen würde«, so Schwan weiter. Daran habe sie sich gehalten. Das Thema der Rede, nämlich »Verständigung in herausfordernden Zeiten« sei einvernehmlich vereinbart worden, erklärte sie.

Gesine Schwan fügte hinzu, drei oder vier Zuhörer seien während der Rede gegangen. »Herr Nachama hat es nach der Rede abgelehnt, auf dem Podium zu diskutieren. Nach dem Ende der Veranstaltung sind viele Zuhörer auf mich zu gekommen und haben sich für meine Rede bedankt und mich gebeten, trotz der unfreundlichen Behandlung meine Position weiter vorzutragen und zur Diskussion auch weiterhin bereit zu sein, was ich bin.«

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin wurde am 24. November 1949 gegründet. Seit der Gründung setzt sie sich für Verständigung, gegenseitige Achtung und Zusammenarbeit zwischen Juden und Christen ein. (mit kna)

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