La France en Marche hat es geschafft: zwei Drittel der Stimmen für Macron, Marine Le Pen ohne Chance. Alles gut also? Irrtum – nach der Wahl ist vor der Qual. Was jetzt kommt, ist im Einzelnen noch kaum absehbar, aber sicher ist, dass es für alle Seiten schwierig wird. Das Wahlergebnis allein löst noch kein Problem. Wenn nichts dazukommt, bedeutet es nur Aufschub.
Schon das numerisch klare Ergebnis glänzt nicht so, wie es aussieht. Die Wahlbeteiligung war mit 75 Prozent historisch niedrig. Ein Viertel der Wahlberechtigten blieb zu Hause, vier Millionen haben ungültig abgestimmt. Sie wollten Le Pen verhindern, aber keinen Macron wählen. So gesehen, hat das neue Staatsoberhaupt nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten gewinnen können.
reform Das ist wenig für einen Präsidenten, der keine Partei hinter sich, dafür aber große Aufgaben vor sich hat. Dazu gehört die Reform der verkrusteten Strukturen im Bereich von Wirtschaft, Verwaltung und Bildungswesen. Ohne Jobwunder werden die Vorstädte Unruheherde und die abgehängte Provinz der Nährboden für die Rechte bleiben. Die Linke wird tun, was sie stets tut: auf die Barrikaden gehen. Die Krawalle des Wahlabends gaben einen Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. Noch mehr Juden würden Frankreich verlassen.
Dass bislang eher unklar blieb, wofür Macron jenseits des klaren Votums für Europa steht, mag eine Chance sein. Es schafft Spielraum, die Fliehkräfte einzufangen. Das einzige Rezept dafür ist der Erfolg. Den hat Paris nicht allein in den Händen, aber aus Berlin und München tönte es gleich, Macron müsse nun »liefern«.
Macron hat Frankreich en Marche en Europe gehalten. Das ist aber kein Blankoscheck für ein »Weiter so«, sondern eine Anleihe auf Reformen, die in Brüssel nottun und für die Macron Eckpunkte benannt hat. Europa muss liefern. Das gibt es nicht gratis und wird auch Deutschland etwas kosten. Aber es wird in jedem Fall billiger als das Scheitern Europas.
Der Autor ist Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg.