Leipzig

Nach Antisemitismus-Vorwurf: Gil Ofarim und Zentralrat kritisieren Hotel

Der Musiker hatte berichtet, wegen Davidstern-Kette beim Einchecken nicht berücksichtigt worden zu sein

 07.10.2021 15:34 Uhr Aktualisiert

Gil Ofarim Foto: imago/Future Image

Der Musiker hatte berichtet, wegen Davidstern-Kette beim Einchecken nicht berücksichtigt worden zu sein

 07.10.2021 15:34 Uhr Aktualisiert

Nach Antisemitismus-Vorwürfen des Musikers Gil Ofarim sind zwei Mitarbeiter eines Leipziger Hotels beurlaubt worden. Dies gelte zunächst für die Dauer der Ermittlungen, sagte eine Sprecherin der Marriott-Gruppe am Mittwochmorgen.

Ofarim hatte in einem am Dienstag veröffentlichten Instagram-Video berichtet, wegen seiner Davidstern-Kette beim Einchecken in das »Westin Hotel« von Mitarbeitern nicht berücksichtigt worden zu sein. Er erzählte, wie er sich in eine Schlange eingereiht habe. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden.

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SCHLANGE Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Mitarbeiter habe geantwortet: »Um die Schlange zu entzerren«, dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden. Daraufhin habe »irgendeiner aus der Ecke« gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotelmitarbeiter habe gesagt: »Packen Sie Ihren Stern ein.«

Nun gibt es inzwischen weitere Vorwürfe gegen das Hotel. Die Sängerin Patricia Kelly schrieb am Mittwoch auf ihrer Instagram-Seite, dass ihr Manager dort Ähnliches erlebt habe. Details nannte sie nicht, das gesamte Team habe das Hotel sofort verlassen.

Im Zusammenhang mit den Antisemitismus-Vorwürfen hat der beschuldigte Mitarbeiter unterdessen Anzeige wegen Verleumdung gestellt. Der Mann schildere den Vorfall mit dem Künstler Gil Ofarim »deutlich abweichend von den Auslassungen des Musikers«, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe am Mittwoch.

Der Hotelangestellte habe zudem noch eine zweite Anzeige wegen Bedrohung gestellt, weil sich Menschen in den sozialen Netzwerken völlig entfesselt gegenüber dem Hotelpersonal geäußert hätten. Außerdem sei bei der Polizei eine Online-Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen Volksverhetzung eingegangen.

ERMITTLUNGEN Die Staatsanwaltschaft Leipzig und die die Kriminalpolizei hätten sämtliche Ermittlungen aufgenommen, sagte Hoppe. »Nun gilt es abzuwarten, was die Ermittlungen ergeben und was tatsächlich an dem Tag geschehen ist.« Gil Ofarim habe bislang keine Anzeige erstattet.

Das Hotel habe begonnen, alle Gäste, die Zeugen des Vorfalls um den Sänger gewesen sein könnten, zu befragen, sagte Hotelmanager Andreas Hachmeister der »Leipziger Volkszeitung« (Donnerstag). »Wir haben aber inzwischen auch alle Gäste kontaktiert, die in der Schlange hinter Herrn Ofarim standen und etwas von dem Vorfall mitbekommen haben müssten.«

In den nächsten Tagen wolle Hachmeister die Ergebnisse öffentlich machen. Ein Gast habe sich von sich aus an die Hotelleitung gewandt. »Er hat uns gesagt, es stimme alles nicht, was in dem Video zu hören ist«, sagte der Geschäftsführer.

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KUNDGEBUNG Nach dem Vorfall nahmen am Dienstagabend Hunderte Menschen an einer Kundgebung vor dem Gebäude teil. Die Veranstaltung mit etwa 400 Menschen sei friedlich und ohne Störungen verlaufen, sagte eine Polizeisprecherin auf Anfrage. Die Polizei habe das Video, in dem der Musiker von antisemitischen Vorkommnissen im Hotel berichtet, gesichert und der Staatsanwaltschaft vorgelegt.

Unterdessen kritisierte der Zentralrat der Juden die Reaktion des Unternehmens. »Nach der antisemitischen Anfeindung gegen einen Juden in Deutschland fällt dem Hotel nichts anderes ein, als die israelische Flagge und Symbole des Islam auf ein Banner zu drucken«, sagte der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sei die Leipziger Synagoge fußläufig vom Hotel entfernt.

Schuster sagte, dass es bei dem Hotel offenbar wenig Bewusstsein dafür gebe, dass Juden ein Teil der deutschen Gesellschaft seien. »Wir sind zudem mehr als irritiert, dass eine deutliche Entschuldigung des Hotels gegenüber Gil Ofarim bisher ausgeblieben ist.«

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, es sei gut und wichtig, dass der Musiker diesen »inakzeptablen Vorgang« öffentlich gemacht habe. Der Fall zeige aber auch, wie viel mehr Aufklärung in Deutschland nötig sei.

REAKTIONEN Sachsens Beauftragter für jüdisches Leben, Thomas Feist, zeigt sich schockiert, dass so ein Vorfall in einem internationalen Hotel passiert. »Da bleibt einem die Sprache weg«, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine Entschuldigung sei das Mindeste. Zudem müsse das Personal geschult und aufgeklärt werden.

Auch die Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), Anna Staroselski, äußerte sich zu dem Vorfall: »Der antisemitische Vorfall im Westin Hotel Leipzig hat erneut gezeigt, wie verbreitet Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus ist, und dass Jüdinnen und Juden mit diesem überall im Alltag konfrontiert werden«, sagte sie der Düsseldorfer »Rheinischen Post« (Donnerstag).

Juden in Deutschland erlebten Judenhass in der Schule, Uni, U-Bahn oder auf der Straße, erklärte sie. In den letzten Jahren sei ein Anstieg antisemitischer Taten und Äußerungen zu vernehmen, wie sich etwa auf den Corona-Demonstrationen gezeigt habe, erklärte die Vorsitzende der Jüdischen Studierendenunion weiter.

Unter europäischen Rabbinern löste der Vorfall ebenfalls Empörung aus. »Man ist sie leid, diese täglichen Angriffe auf Juden, ob verbal, non-verbal, tätlich oder digital«, erklärte der Generalsekretär der orthodox geprägten Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Gady Gronich.

»Jeder Vorfall ist einer zu viel und schadet letztlich auch dem Ruf Deutschlands und der Stadt Leipzig, ein internationaler weltoffener Standort und Gastgeber zu sein.« Der jüngste Vorfall zeige erneut, dass etwa in Bildungseinrichtungen, Schulen und Medien mehr über jüdisches Leben und den Beitrag von Juden für die Gesellschaft vermittelt werden müsse. Dem schloss sich auch der sächsische Landesrabbiner Zsolt Balla an.

GÄSTE Gil Ofarim erklärte unterdessen, er hätte sich Unterstützung von anderen Gästen gewünscht. Niemand um ihn herum habe etwas gesagt, als ein Hotelmitarbeiter ihn aufgefordert habe, seinen Davidstern an einer Kette abzunehmen, sagte Ofarim am Mittwoch in Bild TV.

»Es ist nicht der erste Vorfall in meinem Leben, an dem ich konfrontiert worden bin mit Fremdenhass, mit Antisemitismus. Aber ich glaube: Es war einmal zu viel«, sagte Ofarim. »Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Ich finde, man soll einfach nicht mehr die Klappe halten und das über sich ergehen lassen. Ich hätte mir nur gewünscht, dass ich nicht alleine gewesen wäre in dem Moment, und hätte mir gewünscht, dass andere Gäste das vielleicht mitgehört hätten.«

ENTSCHULDIGUNG Eine Entschuldigung von dem Hotel habe er bislang nicht erhalten. »Mein Management hat nur eine E-Mail bekommen, dass man sich mal austauschen wollen würde, mal reden. Aber ich habe weder eine Stellungnahme bekommen zu diesem Fall, ich habe keine Entschuldigung bekommen, gar nichts!«

Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma (»Judenstern«) aufgezwungen. dpa/kna/epd

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