In Langenau bei Ulm werden der örtliche Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde, Ralf Sedlak, und seine Kollegin Rebekka Herminghaus seit einiger Zeit angefeindet. Sedlak hatte in einem Gottesdienst vor einem Jahr den Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 verurteilt. Seitdem sind er und Herminghaus Drohungen ausgesetzt.
Auf Aufklebern, die Unbekannte am Eingangstor des Gemeindehauses anbrachten, wurde Sedlak als »Zionist« und »Faschist« bezeichnet. Bei auf einer Demonstration am Samstag in Langenau behauptete ein Teilnehmer laut SWR, Sedlak würde »israelische Gräuelpropaganda von der Kanzel predigen«.
»Der Pfarrer und seine Familie können sich des Rückhalts der Landesregierung gewiss sein«, teilte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) in einer am Mittwoch veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hin mit.
Die Sicherheitsbehörden träfen Maßnahmen, um weitere Störungen und Anfeindungen zu unterbinden, so Strobl. Der Pfarrer, seine Familie sowie die Besucher der Kirche sollten sich sicher fühlen. Zwar müssten die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit mit dem Recht auf ungestörte Religionsausübung in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Wenn allerdings Strafgesetze verletzt würden, hätten Grundrechte auch ihre Grenzen, betonte der Minister.
Die Polizei sei zu den Gottesdienstzeiten dauerhaft vor Ort, hieß es weiter. In der Vergangenheit habe sie die Personalien von vier Personen aufgenommen, die zu den Protestierern gehören. Auch sei bereits ein förmlicher Platzverweis angedroht worden, woraufhin die Angesprochenen die Örtlichkeit selbstständig verlassen hätten. Der Leiter des Ulmer Polizeireviers stehe den Pfarrern beratend zur Seite, ergänzte Strobl.
Solidaritätsadresse von Kollegen
Vor einigen Tagen wurden an der Martinskirche sowie am Rathaus in Langenau antisemitische Schmiereien entdeckt, darunter die Slogans »Boycott Israel« und »Juden vergasen«. Jetzt ermittelt der Staatsschutz des Landes Baden-Württemberg, wie das Polizeipräsidium Ulm am Montag mitteilte. »Die Polizei verstärkt zudem ihre Präsenz im Bereich Langenau«, hieß es weiter. Bislang lägen keine konkreten Hinweise auf Tatverdächtige vor, die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Es seien auch Spuren gesichert worden, die nun ausgewertet würden.
Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, hatte bereits im Oktober erklärt, nicht nur Juden sähen sich inzwischen Hass und Anfeindungen ausgesetzt, sondern auch Menschen, die sich öffentlich für jüdisches Leben einsetzen. Pfarrer Sedlak habe in einem Gottesdienst nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 das Kanzelwort des Landesbischofs verlesen, das Solidarität mit den israelischen Opfern zum Ausdruck gebracht habe. Seitdem sei er Angriffen und Drohungen ausgesetzt.
Sedlak selbst erklärte im November, die Solidarität der Gemeinde gelte allen Opfern. »In den Gottesdiensten in unserer Kirchengemeinde haben wir im zurückliegenden Jahr in den Fürbitten um Frieden sowohl für die Menschen in Gaza, im Westjordanland und im Libanon gebetet, als auch für die Menschen in Israel, ebenso wie für Menschen, die in der Ukraine, im Sudan oder andernorts unter Gewalt leiden. Es als einseitige Parteinahme für Israel zu bezeichnen, dass ich wenige Tage nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 die Erschütterung über die Opfer in einer Predigt zu Sprache gebracht habe, finde ich makaber und völlig unangemessen. Deshalb habe ich der Störung des Gottesdienstes damals deutlich widersprochen.«
Diese Woche solidarisierten sich hunderte Pfarrer, Dekane und Kirchengemeinderäte mit ihren beiden Kollegen in Langenau. In einer Erklärung heißt es: »Seit Monaten schwelt der Konflikt. Lange genug wurde abgewiegelt. Aggressive Äußerungen, wie zuletzt auf der Palästina-Demonstration, wurden in das Spektrum freie Meinungsäußerung eingeordnet. Seit letztem Samstag aber ist klar: Ein auf Vernichtung und Auslöschung des jüdischen Volks zielender Antisemitismus bricht sich in Langenau Bahn.«
Die Mitglieder der Kirchengemeinden seien aufgefordert, »sich öffentlich und entschieden diesem öffentlich geäußerten Vernichtungswillen entgegenzustellen. Unsere Solidarität gilt der jüdischen Gemeinde und allen ihren Mitgliedern.« kna/epd/ja