Die Entscheidung Barack Obamas, vor einem Angriff auf das syrische Regime die Zustimmung des Kongresses einzuholen, hat der deutschen Politik fürs Erste aus der Klemme geholfen. Die Bundesregierung kommt so – womöglich bis nach der Bundestagswahl – weiter um eine klare Positionierung in der Syrienkrise herum. Bislang hat sich Berlin darauf herausgeredet, eine deutsche Beteiligung an einer Militäraktion komme nur infrage, wenn sie durch ein UN- oder NATO-Mandat gedeckt sei.
Doch solange Russland und China jede wirksame Sanktion gegen das Assad-Regime blockieren, kommt das Warten auf einen UN-Beschluss dem fortgesetzten untätigen Zusehen beim Morden in Syrien gleich. Und die NATO käme nur ins Spiel, würde der Bündnispartner Türkei von Syrien angegriffen. Die Opposition empfiehlt indessen, mit Moskau und Peking über ein gemeinsames Vorgehen zu sprechen. Als versuche der Westen genau dies nicht seit zwei Jahren, ohne dass sich namentlich Assads Schutzherr Wladimir Putin einen Schritt bewegt hätte!
verbrechen Dabei unterscheidet sich das deutsche Wegducken angesichts des Verbrechens gegen die Menschlichkeit, das der Giftgaseinsatz des syrischen Regimes darstellt, dieses Mal – anders als im Fall Libyen – kaum von dem des gesamten Westens. Nach Großbritanniens Absage und Obamas Rückzieher scheint nur noch Frankreich entschlossen, auf die ungeheuerliche Grenzüberschreitung durch die Assad-Diktatur eine Antwort zu geben.
Der Westen präsentiert sich in einem Moment, da es um die Verteidigung von Mindeststandards der zivilisierten Menschheit geht, uneins, zögerlich und mutlos. Umso mehr überrascht es, dass laut einer Umfrage eine knappe Mehrheit der Deutschen eine militärische Aktion befürwortet. Doch zwei Drittel sind zugleich dagegen, dass Deutschland daran teilnimmt. Solche moralische Schizophrenie hilft dem amoralischen Verbrecherregime in Damaskus, am Ende ungeschoren davonzukommen.
Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und »Welt am Sonntag«.