Tamás Deutsch ist 48 Jahre alt, Jurist in Budapest und einer der wenigen osteuropäischen Kandidaten, die offen über ihre jüdischen Wurzeln und ihren Glauben reden. Zugleich ist der langjährige Politiker eine kontroverse Figur in seinem Land.
Bereits während seines Studiums in den späten 80er-Jahren beteiligte sich Tamás Deutsch an der demokratischen Oppositionsbewegung in Ungarn und reiste sogar nach Prag, um gegen die staatssozialistischen Regimes zu protestieren. 1990 gehörte er zu den Mitgründern der damals antikommunistischen und liberalen Union der Jungen Demokraten, FIDESZ. Bei den ersten freien Wahlen für das ungarische Parlament, die einige Monate später stattfanden, wurde Deutsch zum Abgeordneten gewählt.
vorwürfe Seitdem gehört er zu den prominentesten und aktivsten Politikern des Landes. Viermal ins Parlament gewählt, verabschiedete er sich erst 2009 von dem imposanten Gebäude am Donauufer, als er nach Europa wechselte. Doch die Zeiten haben sich in Ungarn stark geändert. FIDESZ ist längst keine antiautoritäre Jugendbewegung mehr, sondern wird – unter dem alten wie neuen Parteivorsitzenden und heutigen Premierminister Viktor Orbán – immer häufiger mit dem Vorwurf eines rechtskonservativen Autoritarismus konfrontiert.
Nationalistische, manchmal auch antisemitische Äußerungen von FIDESZ- und Regierungsvertretern gehören zum Alltag in Ungarn. Deutschs linksliberale Gegner behaupten, er sei »der Quotenjude« der Orbán-Partei. Doch einen Widerspruch zwischen seiner Herkunft und seiner politischen Haltung bestreitet er. Er hält vielmehr den nationalkonservativen Kurs der derzeitigen ungarischen Regierung für richtig und vertritt die FIDESZ-Ansicht, dass die Einmischung der EU-Institutionen in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten begrenzt werden soll.
Nicht selten fällt Deutsch durch scharfe und schrille Töne auf. Für einen Teil der jüdischen Gemeinde in Ungarn gehört er trotzdem zu den wenigen mutigen Politikern, die zu ihrem Glauben stehen. Nun tritt Deutsch für ein zweites Mandat im Europaparlament an.