Herr Meyer, Eintracht Frankfurt hat Rudolf Gramlich postum die Ehrenpräsidentschaft aberkannt. Sie begrüßen diesen Schritt. Warum?
Der Ehrenpräsident eines großen deutschen Fußballvereins muss nicht nur sportlich, sondern auch moralisch und ethisch ein Vorbild sein. Das trifft auf Gramlich nicht zu. Als SS-Mitglied hat er während der Zeit des Nationalsozialismus sowohl privat als auch geschäftlich massiv vom Regime profitiert. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass die Eintracht mit der Aberkennung seines Ehrenpräsidententitels jetzt ein weiteres Stück der eigenen Vergangenheit aufarbeitet.
Gramlich hatte den Titel seit 1970 inne und ist 1988 gestorben. Kommt diese Entscheidung also nicht etwas spät?
In allem Guten ist auch immer etwas Schlechtes. Und natürlich kann man die Frage stellen, warum es 50 Jahre für diese Entscheidung gebraucht hat. Auf der anderen Seite finde ich es richtig und wichtig, dass sich der Verein mit dem Fritz-Bauer-Institut historisch-wissenschaftliche Expertise für die Aufarbeitung der Vereinshistorie ins Haus geholt hat. Durch die mehrjährigen fundierten Recherchen des Instituts zur Person Gramlich und seinem Fall, fußt die Maßnahme der Titelaberkennung auf einer soliden Grundlage.
Eintracht-Präsident Peter Fischer positioniert sich immer wieder gegen rechts. 2018 sagte er, dass AfD-Anhänger nicht Mitglied in seinem Verein sein könnten. Dafür gab es nicht nur Applaus, oder?
Mutige Entscheidungen ernten nicht immer Beifall, doch gerade in Zeiten des wieder aufkeimenden Antisemitismus und Rassismus braucht es mutige Entscheider, die für den Schutz unserer Werte aufstehen. Fischers Engagement als Eintracht-Präsident ist absolut überragend. Er hat erkannt, wie wichtig die gesellschaftliche Rolle eines Fußballvereins in Deutschland im Jahr 2020 ist. Für seinen Einsatz gegen rechts haben wir Fischer 2018 mit dem »Makkabäer« ausgezeichnet.
Sie meinen, dem Eintracht-Vorbild sollten auch andere Bundesligisten folgen?
Ich erwarte, dass sich jeder Verein aus der Ersten und Zweiten Fußballbundesliga, wie auch der DFB, der eigenen Geschichte stellt und insbesondere die NS-Vergangenheit aufarbeitet. Es handelt sich hier um große, etablierte Clubs, die es sich leisten können, Historikerkommissionen zu beauftragen. Übrigens richte ich diese Forderung nicht nur an Fußballvereine, sondern überhaupt an Sportclubs. Im Fußball gibt es schon viele positive Initiativen. Neben Frankfurt haben sich inzwischen auch andere Vereine wie Hertha BSC Berlin oder Borussia Dortmund daran gemacht, Licht in die dunklen Kapitel ihrer Vereinsgeschichte zu bringen. Gerade in Zeiten des zunehmenden Extremismus sollten Sportvereine Institutionen des Respekts, der Demokratie und der Toleranz sein.
Mit dem Präsidenten von Makkabi Deutschland sprach Jérôme Lombard.