Gute Nachrichten lesen wir leider selten. Schon während meines Journalismusstudiums in London wurde uns Studenten der Slogan »Only bad news are good news« eingetrichtert. Also nur die schlechten Nachrichten sind gute Nachrichten, weil wir wissen, dass sie sich besser verkaufen. Unsere kognitive Wahrnehmung speichert negative Informationen und mögliche Gefahren nicht nur schneller ab, sondern sucht auch gezielt danach.
Gerade aus Israel schaffen es positive Meldungen kaum in die großen Medien. Das Land wird in den Nachrichten oft nur mit Militär, Terror und Krieg in Verbindung gebracht. Dabei gibt es auch viel Hoffnungsvolles und Fortschrittliches zu berichten. Zum Beispiel der zweite Jahrestag der Unterzeichnung des Abraham-Abkommens, auf das sich Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate am 13. August 2020 geeinigt hatten und das am 15. September im Weißen Haus in Washington offiziell unterzeichnet wurde. Zwei Jahre, die Geschichte geschrieben und die Situation im Nahen Osten grundlegend verändert haben. Eigentlich ein Grund zu feiern. Doch gibt man auf Google »Israel« und »Krieg« ein, erscheinen 10.200.000 Ergebnisse, gibt man »Israel« und »Abraham Accords« ein, erhält man lediglich 132.000 Ergebnisse. Die »Good News« machen nur einen Bruchteil aus.
Frieden Dabei wurden mit dem historischen Abkommen, noch ausgehandelt von Donald Trump und Benjamin Netanjahu, die Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten normalisiert. Kurz darauf folgten auch die Länder Bahrain, Sudan und Marokko. Eine einmalige Chance für strategische Neuorientierung im Nahen Osten und für ein Miteinander, das auf Frieden und Wohlstand basiert. Allein im vergangenen Jahr erreichte der Handel zwischen Israel und den Emiraten laut israelischem Wirtschaftsministerium 885 Millionen US-Dollar. Im Mai dieses Jahres haben Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate nach nur vier Verhandlungsrunden ein Freihandelsabkommen unterzeichnet. Es sei das am schnellsten zustande gekommene Freihandelsabkommen, das es in Israels Geschichte je gegeben habe, erklärte Israels damaliger Ministerpräsident Naftali Bennett.
Bereits im Februar unterzeichneten beide Länder ein Tourismusabkommen. Es war ein weiterer Schritt zur Stärkung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und den Emiraten. Viel mitbekommen von diesen positiven Entwicklungen hat man in den Medien jedoch nicht.
Gerade aus Israel schaffen
es positive Meldungen kaum
in die Medien.
Aktuell arbeite ich an einem größeren Projekt zu den Abraham-Abkommen, einem der wegweisendsten Ereignisse in der neueren Geschichte des Nahen Ostens. Und genau diese Aufbruchsstimmung spiegelt sich in den Gesprächen mit unseren Protagonisten wider. Selten habe ich Menschen interviewt, die so voller Zuversicht, Optimismus und Hingabe über ein Abkommen gesprochen haben, egal ob auf israelischer oder arabischer Seite. Auch in den jeweiligen Ländern sind diese Gefühle spürbar. Zu sehen, mit welcher Begeisterung, mit welcher Freundlichkeit, mit welchem Unternehmungseifer die Menschen in Israel und in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufeinander zugehen, macht Hoffnung. Und es ist wichtig, diese Hoffnung zu vermitteln und nach außen zu tragen, gerade in einer Region, die jahrelang durch Feindschaft geprägt war. Es zeigt auch, dass der Friedensvertrag weit über die beiden Länder hinaus von großer Bedeutung ist. Er ist eine Chance für den gesamten Nahen Osten, die viele bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten haben.
Noch im Jahr 2016 erklärte John Kerry als damaliger Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika: »Es wird keinen separaten Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt geben.« Inzwischen wissen wir, dass er mit dieser Einschätzung daneben lag. Jahrzehntelang wagte kein arabischer Staat, offizielle Beziehungen zu Israel aufzunehmen. Friedensverträge bestanden nur mit Ägypten und Jordanien. Nun könnten sogar weitere Abkommen mit anderen arabischen Staaten folgen. Im Mai sprach sich Israels Präsident Isaac Herzog sogar für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Saudi-Arabien aus.
Verantwortung Nicht nur die Politiker, sondern allen voran der Journalismus und die Medien, entscheiden mitunter, wie wir die Welt sehen. Das ist eine große Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. In den letzten zwei Jahren hat sich unsere Berichterstattung fast ausschließlich um Pandemien, Krisen und Kriege gedreht. Auch die jüngste Gewalteskalation im Nahen Osten war Aufmacher auf allen Nachrichtenkanälen. Zu Recht. Wichtig ist aber auch, dass Hunderttausende Israelis letztes Jahr Dubai bereist haben, mehr als 1000 sind dort ansässig geworden. Dass auf einer bis vor zwei Jahren nicht existenten Flugroute plötzlich 15 Direktflüge pro Tag angeboten werden. Dass eine Fußball-WM in Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Erwägung gezogen wird. Dass in Abu Dhabi auf einem gemeinsamen Areal eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee entstehen.
Drei Gebäude, die exemplarisch für einen neuen Zeitgeist in einer politisch fragilen Region stehen. Darüber wird aber kaum berichtet. Wenn Gutes passiert, sollte es genauso unser Auftrag sein, davon zu erzählen und darüber zu schreiben. Mehr Mut zu »Good News« bitte!
Die Autorin ist Korrespondentin des Bayerischen Rundfunks und lebt in München.