Das Musical zum Pogrom gibt es längst. Es heißt Fiddler on the Roof, zu Deutsch Anatevka, besteht aus vielen mitreißenden Songs (»Wenn ich einmal reich wär’«). Dass es irgendwann auch das Musical zum Holocaust geben würde, war im Grunde abzusehen.
Jetzt ist es endlich so weit. Das Libretto stammt von dem britischen Lyriker Nick Stimson, die Musik schrieb ein gewisser Chris Williams. Der Titel des Holocaust-Musicals: Korczak. Erzählt wird also die Geschichte von Henryk Goldszmit, dem jüdischen Kinderarzt und polnischen Patrioten, der unter dem Pseudonym Janusz Korczak für die Rechte von Kindern kämpfte, als das noch kaum jemand tat. Er blieb im Hunger und Terror des Warschauer Ghettos bei seinen Waisen, und als sie sich im Sommer 1942 auf dem Umschlagplatz versammeln mussten und dann nach Treblinka ins Gas deportiert wurden, ließ er sich nicht von seinen Schützlingen trennen, obwohl es mehrere Angebote gegeben haben soll, ihn zu retten.
hoffnung Am 1. September wird Korczak in der Gedenkstätte des KZ Sachsenhausen aufgeführt. Auf einer englischen Webseite wird das Musical mit folgenden Worten angepriesen: »Es handelt sich nicht um eine Geschichte der Verzweiflung, sondern der Hoffnung. Durch Theaterspiel, Musik und Lieder konzentriert sich das Stück nicht auf die Tragödie, sondern auf das positive Erbe von Korczak und seinen Kindern.«
Die Autoren jenes Musicals verfügen, scheint’s, über ein unverwüstlich sonniges Gemüt. Schwächere Naturen würden angesichts der Geschichte von Korczak und seinen Kindern vielleicht anfangen zu schreien – oder sie würden einfach schweigen. Schwächere Naturen würden außerdem ahnen, dass es angesichts der Gaskammern von Treblinka keinen Trost gibt, der keine Lüge wäre. Nick Stimson und Chris Williams dagegen fangen an, optimistische Lieder zu trällern. Wie es im Gemüt dieser Leute aussieht, möchte man lieber nicht zu genau wissen. Ich wünsche denjenigen, die der Aufführung im ehemaligen Konzentrationslager beiwohnen, viel Spaß bei der musikalischen Leichenfledderei.