Pop-Kultur Festival

Müller und der BDS

Warum Berlins Regierender Bürgermeister sich an München und Frankfurt ein Beispiel nehmen sollte

von Philipp Peyman Engel  23.08.2017 11:04 Uhr

Philipp Peyman Engel Foto: Chris Hartung

Warum Berlins Regierender Bürgermeister sich an München und Frankfurt ein Beispiel nehmen sollte

von Philipp Peyman Engel  23.08.2017 11:04 Uhr

Der syrische Rapper Abu Hajar hat nicht lange gezögert. Als der Musiker vergangene Woche erfuhr, dass die Israelische Botschaft das Berliner Pop-Kultur Festival mit 500 Euro unterstützt, sagte er seinen Auftritt kurzerhand ab. »Mit der deutschen Schuld habe ich nichts zu tun«, sagte Hajar, der 2014 als Flüchtling nach Deutschland kam. »Wir können das nicht akzeptieren, auf so einem Festival aufzutreten, weil das würde heißen, dass man die Israelis weißwäscht.«

Mit dieser Ansicht steht der Musiker nicht alleine da. Vier weitere arabische Bands sagten ihren Auftritt beim heute Abend beginnenden Festival ebenfalls ab. Mittlerweile schlossen sich dem Boykott à la »Spielt nicht bei Juden!« auch einige britische und amerikanische Acts an.

Boykott Vorangegangen war den Absagen ein Aufruf der israelfeindlichen BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions). »Wie damals im Kampf gegen das Apartheidregime in Südafrika darf ein Unterdrücker-Staat niemals an einem Kulturfestival beteiligt sein, das für Freiheit, Menschenrechte und Inklusion steht«, erklärten die Aktivisten. Die Gruppe »Jewish Antifa Berlin« ging noch einen Schritt weiter und forderte alle Künstler zur Absage auf. Das Sponsoring »durch eine rassistische und kriegstreiberische Regierung« dürfe nicht akzeptiert werden.

Musikgruppen, die der Kampagne nicht nachgeben wollen, berichten über massiven Druck und Einschüchterungen durch BDS. Die israelische Sängerin Riff Cohen wurde aufgefordert, ihren Auftritt abzusagen. Die Begründung: weil sie Israelin, also Vertreterin des »zionistischen Unterdrückers« sei. Eine Absage sei angesichts der »israelisch-faschistischen« Politik unumgänglich.

Von den Organisatoren des Festivals war zu der Causa bislang nicht viel Substanzielles zu hören. »Ich will das nicht werten«, sagte Festivalleiterin Katja Lucke zu den Israel-Boykotten der Bands. »Wir glauben daran, dass Diskurs und Dialog der einzige Weg sind, mit den Konflikten in dieser Welt umzugehen.« Aber immerhin seien lediglich einige Musikgruppen dem BDS-Aufruf gefolgt. Im Verhältnis zu den teilnehmenden 120 Künstlern sei dies ein verhältnismäßig kleiner Boykott. Mehrere Interviewanfragen der Jüdischen Allgemeinen, auch bezüglich dieser Aussagen, blieben unbeantwortet.

schweigen Viel wichtiger jedoch sind die Reaktionen des politischen Berlins. Kultursenator Klaus Lederer nannte den Boykott zwar »widerlich« und begrüßte die Unterstützung des Festivals durch die israelische Botschaft. Doch außer der – für einen Linken-Politiker übrigens bemerkenswerten – Äußerung sucht man andere Wortmeldungen in der rot-rot-grünen Koalition bislang vergeblich. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller? Fehlanzeige!

In anderen Städten dagegen ist die Bekämpfung des israelfeindlichen BDS längst Chefsache. Frankfurts Bürgermeister Uwe Becker bezeichnet die Kampagne nicht nur als antizionistisch, sondern auch als antisemitisch. »In Frankfurt ist BDS nicht willkommen!«, stellte er klar. Oberbürgermeister Peter Feldmann positioniert sich ebenso deutlich wie regelmäßig gegen BDS.

Ähnlich sieht es in München aus. Hier wird der Stadtrat – das kündigte das regierende Bündnis aus SPD und CSU an – demnächst keine städtischen Räume mehr für BDS zur Verfügung stellen. Auch Veranstaltungen von BDS-Unterstützern gegen Israel und mit israelbezogenen Antisemitismus sollen künftig nicht mehr gefördert werden.

Das indes hat sich offenkundig noch nicht bis in die Hauptstadt herumgesprochen. Hier gilt anscheinend auch beim Thema Antisemitismus die »Is mir egal!«-Haltung, die die Berliner Verkehrsbetriebe vergangenes Jahr in einem Werbespot auf den Punkt gebracht hatte. Die allerdings mag vielleicht auf Berlin-Touristen als arm, aber sexy wirken. Beim Thema Antisemitismus ist sie bloß scheinheilig und verlogen.

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025

New York

46 Prozent aller Erwachsenen auf der Welt haben antisemitische Ansichten

Die Anti-Defamation League hat 58.000 Menschen in 103 Ländern befragt

 14.01.2025

NRW

NRW-Leitlinien für zeitgemäßes Bild des Judentums in der Schule

Mit Büchern gegen Antisemitismus: NRW-Bildungsministerin Feller hat zwölf Leitlinien für die Darstellung des Judentums in der Schule vorgestellt. Denn Bildungsmedien seien ein Schlüssel zur Vermittlung von Werten

von Raphael Schlimbach  14.01.2025

Faktencheck

Hitler war kein Kommunist

AfD-Chefin Weidel bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator als »Kommunisten«. Diese These wird von wissenschaftlicher Seite abgelehnt

 14.01.2025

Berlin

Wegen Gaza-Krieg: Syrer beschädigt erneut Gebäude im Regierungsviertel

Erst das Innenministerium, dann der Amtssitz des Bundeskanzlers: Zweimal binnen weniger Tage fasst die Polizei in Berlin einen Mann, der wegen des Gaza-Kriegs wütet

 14.01.2025

Studie

Frauen und jüdischer Widerstand bei Schulnamen unterrepräsentiert

Welche Persönlichkeiten prägen die Namen deutscher Schulen? Eine Studie zeigt: Pädagogen spielen eine große Rolle. Frauen und Juden eher weniger

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert