Geschichte

»Motiv des Handelns«

Bundesfinanzminister Christian Lindner Foto: picture alliance / AA

Herr Minister, das Luxemburger Abkommen wurde am 10. September 1952 geschlossen. Wie bewerten Sie diese Übereinkunft aus heutiger Sicht?
Das Luxemburger Abkommen war ein großer Schritt, weil es der Auftakt einer ganz besonderen Entwicklung war: der deutsch-israelischen Freundschaft. Und es war ein mutiger Schritt, weil sich die Väter des Abkommens – David Ben Gurion, Mosche Scharet, Nahum Goldmann und Konrad Adenauer – gegen Widerstände aus den eigenen Reihen durchsetzen mussten. Für die Größe und den Mut der Beteiligten bin ich noch heute dankbar.

Ihr Ministerium hat den 70. Jahrestag unter das Motto »Weiter Verantwortung tragen« gestellt. Wie will die Bundesregierung auch zukünftig ihrer Verantwortung gerecht werden?
Jede Generation in Deutschland muss den Versuch der Wiedergutmachung neu interpretieren. Meine Generation steht vor der traurigen Gewissheit, dass Zeitzeugen nicht ewig leben werden, die das Grauen der damaligen Zeit nahebringen. Deswegen heißt für diese Bundesregierung »Weiter Verantwortung tragen« ganz zentral: die Vermittlung von Wissen über die NS-Verbrechen stärker in den Blick nehmen. Wir fördern dafür zum Beispiel die Bereiche Holocaust Education und -Dokumentation.

Einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zufolge will die Hälfte der Bundesbürger einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit ziehen. Was sagen Sie denen?
Die Erinnerung an die Verbrechen NS-Deutschlands gehört zur politischen DNA der Bundesrepublik – und zwar für immer. Ich bin sehr froh, dass sich alle demokratischen Kräfte in unserem Land dieser Verpflichtung bewusst sind. Es geht nicht um persönliche Schuld. Die heutige Generation hat die Verbrechen nicht begangen. Wir können nicht ändern, was geschehen ist. Aber es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass so etwas wie der Holocaust nie wieder passiert. Das schaffen wir nur durch Aufarbeitung, Bildung, Erinnerung. Einen Schlussstrich kann und wird es nicht geben.

Zur Gedenkveranstaltung wurde auch ein Logo mit dem Titel »Wiedergutmachung« entwickelt. Meinen Sie, dass der millionenfache Judenmord wiedergutzumachen ist?
Nein, das behauptet auch niemand ernsthaft. Der Begriff hat einen historischen Kontext. Wiedergutmachung war ein plastischer Begriff, um der deutschen Bevölkerung zu vermitteln, warum die junge Bundesrepublik Verantwortung trägt. Eine gemeinsame Ausstellung der Jewish Claims Conference und meines Ministeriums zum Luxemburger Abkommen, die derzeit im Deutschen Bundestag gezeigt wird, setzt sich bewusst auch mit der Kontroverse um diesen Begriff auseinander. Als erreichbares Ziel sehe ich Wiedergutmachung nicht, vielmehr als Motiv des Handelns. Der immerwährende Versuch der Wiedergutmachung treibt uns an. Abgeschlossen ist er nie.

Das Interview mit dem Bundesfinanzminister führte Detlef David Kauschke.

Israel

Steinmeier verteidigt Treffen mit Netanjahu

Der Bundespräsident erteilt den Forderungen von Amnesty International eine klare Absage

 13.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025

Budapest

Acht Israelis von deutschen Touristen angegriffen

Eines der Opfer: »Mein Gesicht war zerkratzt und meine Brille und Kippa waren weg.«

 13.05.2025

Debatte

CSU-Landesgruppenchef nennt Linke »antisemitisch«

In der vergangenen Woche hat die Union bei der Kanzlerwahl in einer Verfahrensfrage zusammen mit der Linken gestimmt. Das soll aber die absolute Ausnahme bleiben

 13.05.2025

Jubiläum

Steinmeier beginnt zweitägigen Besuch in Israel

Erst besucht Israels Präsident Herzog Berlin, jetzt Bundespräsident Steinmeier Jerusalem. Er will sich dort auch mit Israels Regierungschef Netanyahu treffen – obwohl ihm davon abgeraten wird

 13.05.2025

Prozess

Verfahren um Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge beginnt

Der Angeklagte ist vermutlich psychisch schwer erkrankt und war zur Tatzeit unter Umständen schuldunfähig

 13.05.2025

Den Haag

Bericht: Khan beantragte Haftbefehle aus politischen Motiven

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs wollte durch seine Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant Druck auf Israel ausüben, so ein westlicher Diplomat der »Jerusalem Post«

 13.05.2025

Berlin

Dobrindt verbietet »Königreich Deutschland«

Laut Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sind die von den Reichsbürgern verbreiteten antisemitischen Verschwörungsmythen einer der Gründe für das Verbot

 13.05.2025

Meinung

Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass

Wer sich als vorgeblich sozialistische Partei mit einer Bewegung solidarisiert, die Frauen steinigt, Homosexuelle verbrennt und den Judenmord als oberstes Ziel ihrer Bemühungen proklamiert, hat keine Ehre. Ein Kommentar von Andrej Hermlin

von Andrej Hermlin  13.05.2025 Aktualisiert