Das US-Außenministerium hat am Montag scharfe Kritik an Russlands Rechtfertigung für den Ukraine-Krieg geübt und Moskau nicht nur Geschichtsklitterung, sondern auch das vorsätzliche Verbreiten antijüdischer Vorurteile vorgeworfen.
Mit der Beschwörung des Nationalsozialismus und der Schrecken des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts hoffe der Kreml, die Ukraine in den Augen der russischen Öffentlichkeit und der Welt zu delegitimieren und zu dämonisieren. Er versuche sogar, mit Nazi-Slogans Propaganda zu betreiben. In einer auf der Website des State Department veröffentlichten Stellungnahme heißt es, Russland manipuliere die internationale öffentliche Meinung, indem es »falsche Parallelen zwischen Moskaus Aggression gegen die Ukraine und dem sowjetischen Kampf gegen Nazi-Deutschland« ziehe.
DIFFAMIERUNG Dabei schrecke Moskau auch nicht vor der Diffamierung des jüdischen Staatspräsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, zurück. Der Kreml behaupte, die schlimmsten Nazis seien in Wahrheit Juden gewesen, und versuchte somit, die Bedeutung des Antisemitismus in der Nazi-Ideologie herunterzuspielen. Mehr als 140 renommierte Historiker hätten die russische Desinformationskampagne bereits zurückgewiesen, so das Papier des Außenministeriums in Washington, das namentlich nicht gekennzeichnet war.
Im Mai hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow auf die Frage eines italienischen Journalisten nach Selenskyjs jüdische Herkunft geantwortet, auch Adolf Hitler habe »jüdisches Blut« gehabt und hinzugefügt, dass angeblich »kluge jüdische Menschen sagen, dass die eifrigsten Antisemiten für gewöhnlich Juden sind«. Nach scharfer Kritik aus Israel legte das russische Außenministerium nach und beschuldigte Israel, »unhistorische Aussagen« zu machen und das angebliche »Neonazi-Regime in Kiew« zu unterstützen.
Laut State Department fruchtet die Propagandastrategie des Kreml außerhalb des eigenen Landes aber eher schlecht als recht. Der russische Geheimdienst FSB sei jüngst zu dem Schluss gekommen, die Behauptung der »Entnazifizierung« nur unzureichend unterstützt habe, und habe empfohlen, eine massive Streuung von Behauptungen, ukrainische Nationalisten hätten Kinder in der Ostukraine gezielt getötet. Außerdem, so das State Department mit Verweis auf den ukrainischen Geheimdienst, habe der FSB empfohlen, ein »Netzwerk von Propagandisten« zu schaffen, einschließlich des Einsatzes inszenierte Videos mit russischen und ukrainischen Kriegsveteranen, in denen diese Russland auffordern, »den Faschismus in der Ukraine zu stoppen«.
DESINFORMATION Schließlich empfahl der FSB noch, »antifaschistische« Frontgruppen zu gründen und die Europäische Union mit Desinformationen zu bombardieren, in denen unter anderem behauptet wird, das Leben in Europa verschlechtere sich aufgrund der Unterstützung für ukrainische »Nazis«.
»Präsident Putin und sein Desinformations- und Propagandaapparat nutzen die historische Erinnerung an den sowjetischen Kampf gegen Nazideutschland aus, um einen Vorwand für ihren nicht provozierten, brutalen Krieg gegen die Ukraine zu erfinden. Für seine räuberischen Ziele nutzt der Kreml das Leid und die Opfer all jener aus, die den Zweiten Weltkrieg erlebt und den Holocaust überlebt haben«, schlussfolgert das Papier des US-Außenministeriums. Damit lenke der Kreml von den weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung des Antisemitismus ab und propagiere stattdessen »eine der heimtückischsten Formen des Antisemitismus, die Verdrehung des Holocaust«.