Ebrahim Raisis Ansprache plätscherte fast eine halbe Stunde dahin, bis er zu den Lieblingsthemen der iranischen Führung kam: Israel und Amerika. Die »Befreiung Palästinas« vom »Besatzungsregime in Jerusalem« sei eine Voraussetzung für einen friedlicheren Nahen Osten, sagte der iranische Staatspräsident - wegen seine Rolle bei der Verfolgung und Hinrichtung Tausender Menschen in den 80er Jahren auch als »Schlächter von Teheran« bekannt - in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York.
Es seien die USA, die ihre Verpflichtungen aus dem Atomabkommen JCPoA nicht einhalten würden, fügte er hinzu, weil sie nicht bereit seien, Sanktionen gegen sein Land aufzuheben. Amerika repräsentiere die Vergangenheit, und sein Regime die Zukunft, behauptete Raisi, der abschließend einen Segensspruch an die versammelten Staatsmänner aussprach und den Saal wieder verließ.
protest Zu diesem Zeitpunkt war Israels UN-Botschafter Gilad Erdan längst aus dem Saal. Er hatte – ungewöhnlich für einen Diplomaten - gegen Raisis Auftritt protestiert, war während der Rede des Iraners von seinem Platz aufgestanden und lief mit einem Schild Richtung Rednerpult, auf dem ein Foto von Jina Mahsa Amini war und der Satz stand: »Iranische Frauen verdienen Freiheit JETZT«. Wenig später wurde Erdan von zwei UN-Polizisten aus dem Saal geleitet.
Zu Beginn seiner Ansprache hatte seinerseits Raisi einen Koran hochgehalten, um gegen die vermeintlichen »Feuer der Respektlosigkeit« gegenüber dem Islam zu protestieren. »Islamophobie und kulturelle Apartheid, wie sie in westlichen Ländern zu beobachten sind - von der Schändung des heiligen Korans bis hin zum Verbot des Hidschabs an Schulen - sind der Menschenwürde nicht würdig«, wetterte Raisi.
Widerworte bekam er dafür nicht. Gilad Erdan war der einzige, der gegen Raisis Auftritt protestierte. Zwar blieben viele Plätze im Saal der Vollversammlung leer, aber das war bereits zuvor bei der Rede Wolodymyr Zelenskys, des ukrainischen Staatschefs, der Fall gewesen. Ein US-Diplomat schrieb während Raisis Ansprache eifrig, andere Delegierte rangen bei den langatmigen Ausführungen des Iraners aber eher mit dem Schlaf.
rechenschaft Gilad Erdan dagegen, selten um klare Statements verlegen, wirkte bei seinem Protest wie aufgeputscht. Er werde »nie aufhören, für die Wahrheit zu kämpfen, und ich werde immer die moralischen Verwerfungen der UN aufdecken«, schrieb der Botschafter anschließend auf X (ehemals Twitter) und fügte anklagend hinzu: »Diejenigen, die Mördern und Antisemiten den roten Teppich ausrollen, müssen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden!«
Während Raisi die angebliche »kollektive Hoffnung auf eine neue und gerechte Weltordnung« beschwor und das Projekt der »Amerikanisierung« der Welt für gescheitert erklärte, machten vor dem UN-Gebäude am East River zahlreiche Exil-Iraner und -Iranerinnen ihrem Unmut über die Unterdrückungspolitik des Regimes Luft.