»Ein Licht ins Dunkel bringen« – es gibt wohl kaum ein anderes Fest, das sinnbildlich so sehr für diesen Herzenswunsch steht wie unser wunderschönes Chanukkafest. Wortwörtlich erleuchten wir zusammen mit unseren Lieben acht Tage lang unser Heim, wenn es draußen düster und kalt ist. Wir versprühen und verspüren Wärme und Freude, vor allem, wenn wir in die Gesichter unserer Kinder blicken, die sich darüber freuen, dass sie acht Tage lang Geschenke erhalten und so viele Sufganiot essen dürfen, wie sie möchten.
Gerade in diesem Jahr aber empfand ich selbst Chanukka als fast allgegenwärtig. Denn es gab leider so einige dunkle Stunden, die wir als jüdische Gemeinschaft gemeinsam erleben mussten: Zum einen war da die beißende, unsensible und häufig verletzende Debatte über die Beschneidung, zum anderen die vermehrten Angriffe auf jüdische Menschen, nur weil sie jüdisch sind. Aber auch hässliche Verbalattacken, die den jüdischen Staat und mal direkter, mal indirekter das jüdische Volk ins »grässliche« Visier nahmen, mussten wir ertragen. Erst vor Kurzem hat uns der Raketenhagel auf die Menschen in Israel mit tiefer Sorge erfüllt.
skepsis Unverständnis und Wut mischten sich in den vergangenen Monaten bei vielen unserer Menschen mit Zweifel und Enttäuschung. Skepsis machte sich im Ausland breit, ob eine jüdische Zukunft in Deutschland überhaupt erwünscht oder gar noch möglich sei. Dennoch und trotzdem haben wir niemals aufgegeben, an ein starkes, sicheres jüdisches Leben hierzulande zu glauben. An eine Zukunft, die nicht nur jüdisches Leben beinhaltet, sondern auch durch jüdisches Leben entscheidend mitgestaltet wird. Und genau daran habe ich keinerlei Zweifel. Ich bin sogar fest davon überzeugt, vielleicht sogar noch stärker denn je.
Was mir dabei Hoffnung und Zuversicht verleiht? Nun, trotz der vielen negativen Geschehnisse habe ich eben auch so viele positive in diesem Jahr erleben dürfen. Und diese positiven Erlebnisse werden das jüdische Leben hierzulande in Zukunft sicherlich entscheidender und nachhaltiger prägen als alles andere. Wenn ich beispielsweise daran denke, dass wir gerade zu Chanukka der Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem gedenken, so denke und freue ich mich zugleich über die hier wieder ganz neu erbauten Synagogen und zahlreichen Jubiläen von jüdischen Gemeindezentren.
Wir haben neue Orte, wo sich jüdisches Leben frisch entfalten und gedeihen kann, ja sogar über sich hinauswachsen wird. Es gibt jüdische Jugendzentren, jüdische Sportvereine, neue Rabbiner und mittlerweile renommierte jüdische Kulturfestivals, und das ist nur ein kleiner Ausschnitt des jüdischen, aktiven Lebens in Deutschland. Und wenn dies alles, nach der Schoa, kein Wunder darstellt – was wäre es denn sonst?
licht An Chanukka erinnern wir uns an das »Wunder, das dort geschah« (»Nes gadol haja scham«), als das Öl-Licht des Tempelleuchters ganze acht Tage ausreichte statt eines einzigen Tages. Dass nun aber wieder das ewige Licht in vielen neuen Synagogen hierzulande scheint, sollten wir eben auch als ein »Wunder«-bares Geschenk empfinden. Und das Öl, welches das jüdische Licht am Leuchten hält, damit es weit in das ganze Land hineinstrahlt, das sind doch wir selbst – die jüdischen Menschen, die trotz aller Holprigkeiten das jüdische Leben hier weiter stärken und ganz entscheidend voranbringen.
Chanukka also das ganze Jahr – denn in all den dunklen Stunden waren wir, die jüdische Gemeinschaft, es doch selbst, die das Licht der Stärke und Zuversicht immer wieder hervorbrachten: In der Beschneidungsdebatte haben wir nicht etwa klein beigegeben, wir haben für unser Recht auf unser elementares Gebot mit großer Entschlossenheit gekämpft.
zuversicht Nach antisemitischen Übergriffen haben wir uns gerade nicht in Hinterzimmern versteckt, sondern sind den Anfeindungen selbstbewusst entgegengetreten, ohne uns jemals einschüchtern zu lassen. Allen Herausforderungen haben wir uns mit Mut und Zuversicht gestellt und werden dies auch ganz sicher in Zukunft tun. Dass wir dabei auf die Hilfe wohlwollender Menschen im Land zählen können, wissen wir sehr zu schätzen.
So, wie wir also an Chanukka jeden Tag das Licht neu entzünden, so haben wir alle, in gemeinsamer Kraftanstrengung, auch in diesem Jahr immer wieder, fast sogar Tag für Tag, unser Licht, unsere Hoffnung neu entfacht. Und dafür danke ich allen von ganzem Herzen.
In diesem Jahr sollten wir daher in den Lichtern der Chanukkia auch gleichzeitig die Lichter unserer Synagogen und das Strahlen unseres neuen jüdischen Lebens in Deutschland sehen – und uns gemeinsam und begeistert darüber freuen. Ich wünsche allen Mitgliedern unserer jüdischen Gemeinden und allen jüdischen Menschen weltweit ein herzliches Chag Chanukka Sameach und alles nur erdenklich Gute!
Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.