Identität

Moderne Makkabäer

Kerzenzünden: In der Dunkelheit des Alltags soll das Licht der Hoffnung erstrahlen. Foto: Flash 90

Es gibt Augenblicke, in denen Menschen über sich hinauswachsen und Dinge tun, die das Schicksal kommender Generationen entscheidend prägen. In Erinnerung an den heldenhaften Kampf der Makkabäer, der jüdischen Freiheitskämpfer jener Zeit, feiern wir bis heute unser wunderschönes Chanukka.

Das Lichterfest ist ein rundum fröhliches Fest, an dem Familien und Freunde zusammenkommen, um gemeinsam die Kerzen der Chanukkia zu entzünden und somit in der Dunkelheit des Alltags das Licht der Hoffnung erstrahlen zu lassen. Chanukka ist das Fest, an dem sich das Gefühl von Stärke und Zukunft mit dem Bewusstsein von jüdischer Zusammengehörigkeit vereint.

Licht, Stärke, Hoffnung und Glauben – das alles sind die Gefühle, die wir mit Chanukka verbinden. Zuweilen ist uns freilich der tiefere Sinn dieser Worte gar nicht mehr bewusst. Wir wissen aber, dass wir über Jahrtausende in unserer Geschichte gelernt haben: »Gemeinsam sind wir stark.« Jeder von uns kann etwas bewirken, doch zusammen können wir noch viel mehr erreichen.

Seele Erst vor wenigen Tagen haben wir einen inspirierenden Gemeindetag in Berlin gemeinsam erlebt. Erst dadurch, dass wir zusammen waren, gemeinsam diskutiert, debattiert und uns ausgetauscht haben, haben wir dem Gemeindetag Leben, Lebendigkeit und Seele geben können. Eine Infusion von Jüdischkeit, Optimismus und Zuversicht haben wir alle bekommen, das Gefühl gestärkt, dass gerade unsere Vielfalt unsere neue Stärke ist und wir bei allen Unterschieden einfach zusammengehören.

Und Optimismus und Zuversicht brauchen wir wirklich angesichts der Tatsache, dass dem jüdischen Volk immer wieder diverse Herausforderungen begegnen. Nach der so unsäglichen Beschneidungsdebatte hierzulande, die uns zu oft zu sehr verletzt hat und die das Ausleben unserer jüdischen Werte massiv bedroht hatte, wurde in unserem Nachbarland Polen auf einmal das Schächten verboten, zudem mit ausgesprochen hässlichen Untertönen.

In Ungarn wie in der Ukraine grassiert ein salonfähig gewordener Antisemitismus, in Griechenland sitzt eine Nazi-Partei schon viel zu lange im Parlament, und immer wieder werden wir konfrontiert mit unfairer, überzogener Kritik am jüdischen Staat, die zu oft doch meist nichts anderes als purer Antisemitismus ist. Vorfälle, in denen unter dem Deckmantel der »legitimen Israelkritik« antisemitische Ressentments bedient werden, gab und gibt es auch in Deutschland wieder viel zu oft.

Werte Unsere lange Geschichte lehrt uns, dass wir damit rechnen müssen, auch künftig Angriffe auf unsere jüdischen Werte abwehren zu müssen, immer und überall. Nie aber werden wir uns damit abfinden und uns dem wehrlos fügen. Diese Lehre macht uns auch die Chanukkageschichte immer wieder deutlich. Sollten wir uns deswegen gleich als moderne Makkabäer sehen?

Zugegeben, manchmal mögen wir uns so fühlen, verteidigen wir doch das, was uns so heilig ist: unsere elementarsten jüdischen Werte und unsere jüdische Identität. Auch das Einstehen für Israel bedarf angesichts der weit verbreiteten anti-israelischen Stimmung manchmal eines »makkabäischen« Selbstbewusstseins. Und dennoch: Ob neue EU-Richtlinien, die Israel auf unfaire Weise in der Staatengemeinschaft zu isolieren und zu diffamieren versuchen oder die Gefahr eines nuklearen Irans – bei all diesen Themen werden wir auch in Zukunft unsere Stimme erheben und immer resolut für Israel eintreten.

Chanukka hat aber auch eine andere Botschaft: Unseren Vorfahren war vor mehr als zwei Jahrtausenden klar, dass das jüdische Volk ohne religiöse Freiheit nicht fortbestehen kann. An dieser Botschaft hat sich im Lauf der Geschichte nichts geändert. Das Judentum hat heute viele Ausprägungen, und jeder kann seinen eigenen Zugang zur Religion finden. Der Zentralrat der Juden bietet dafür nicht nur Raum, sondern ein stabiles Dach für dieses plurale Zuhause. Jeder kann und soll nach seiner Fasson bei uns und mit uns jüdisch und glücklich sein. Dabei wollen wir die jüdischen Werte, jüdische Traditionen und jüdisches Wissen stärken und befördern.

Kultur Daher ist es umso erfreulicher zu sehen, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die Zahl der Synagogen und Gemeindezentren in der Bundesrepublik erheblich zunahm. Rabbinerinnen und Rabbiner werden hierzulande wieder ausgebildet, jüdische Bildungseinrichtungen erfahren immer mehr Zulauf, jüdische Kultur gehört zum festen Bestandteil der Kulturszene in Deutschland. Wir schaffen gemeinsam die Voraussetzungen für eine neue und anhaltende Blüte jüdischen Lebens.

Und eines haben wir bestimmt mit unseren früheren Freiheitskämpfern gemein: Wir stehen ein für ein freies, sicheres und zukunftsweisendes Judentum! Und diese Botschaft erscheint im Lichte der Chanukkakerzen sogar gleich doppelt so schön!

In diesem Sinne wünsche ich allen Mitgliedern unserer jüdischen Gemeinden in Deutschland wie auch allen Juden in der Welt ein fröhliches Lichterfest. Chanukka Sameach!

Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Social Media

Auschwitz-Komitee zieht sich von Plattform X zurück

Überlebende des Holocaust empfinden den antisemitischen Hass auf X als zunehmend bedrohlich

 21.11.2024

Meinung

Der Internationale Strafgerichtshof und die Kampagne gegen Israel

Bei den Haftbefehlen gegen Netanjahu und Gallant geht es um Politik und nicht um Recht

von Volker Beck  21.11.2024

Berlin

Schuster Calls Arrest Warrant Against Netanyahu »Absurdity«

The President of the Central Council of Jews calls on the German government to oppose this decision

 21.11.2024

Internationaler Strafgerichtshof

Zentralrat der Juden nennt Haftbefehl gegen Netanjahu »Absurdität«

Josef Schuster fordert die Bundesregierung dazu auf, sich gegen diese Entscheidung zu stellen

 21.11.2024

Jerusalem

Israels Präsident verurteilt Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant

Zahlreiche Regierungs- und Oppositionspolitiker schließen sich der Kritik an

 21.11.2024 Aktualisiert

Den Haag

Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant erlassen

Der Internationale Strafgerichtshof hat am Donnerstag einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan stattgegeben

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024

Berlin

Touristengruppe an Bushaltestelle antisemitisch beleidigt

Der Staatsschutz ermittelt

 21.11.2024

Debatte

Darf man Israel kritisieren?

Eine Klarstellung

von Rafael Seligmann  21.11.2024

Medienberichte

Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck im Alter von 96 Jahren gestorben

In der rechtsextremen Szene wird sie bewundert

 21.11.2024 Aktualisiert