Der Vorwurf, er sei ein Antisemit, ärgert Gerwald Claus-Brunner. »Die Anschuldigung des Antisemitismus weise ich zurück«, sagte der Abgeordnete der Piraten-Partei in Berlin im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Aber wie soll sich einer dagegen wehren, wenn er plötzlich in eine solche Ecke gestellt wird?«
Anfang November war der 39-Jährige in einem Schreiben der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, kritisiert worden, weil er ein sogenanntes Palästinensertuch trägt. »Bewusst oder unbewusst; mit dem Tuch signalisiert sein Träger eine nationale, anti-jüdische Gesinnung und Sympathie für Gewalttätigkeit im Kampf gegen die westliche Modernität«, schrieb Knobloch.
Antwort »Ich hätte es besser gefunden, wenn Frau Knobloch direkt das Gespräch mit mir gesucht hätte und nicht über den Umweg eines Offenen Briefes«, meint Claus-Brunner. Am Montag habe er auf dem »normalen Postweg« auf das Schreiben aus München geantwortet und hoffe nun, dass es zu einem Vier-Augen-Gespräch mit der IKG-Präsidentin kommt.
»Ich werde Frau Knobloch sehr genau zuhören, und ich hoffe, sie wird mir eine reale Chance geben, auch meine Sichtweise darzulegen.« Was er genau geschrieben hat, wollte er der Jüdischen Allgemeinen jedoch nicht verraten. »Es ist ein persönlicher Brief.«
Dass er das »Pali-Tuch«, wie es in der linken Szene genannt wird, nicht als politische Manifestation versteht, hat Claus-Brunner noch einmal betont. Er habe es bei einem Auslandseinsatz als Kommunikationselektroniker in Israel von einer Familie geschenkt bekommen, bei der er gewohnt habe.
Nahost Ob es eine jüdische oder palästinensische Familie gewesen sei, daran könne er sich allerdings nicht mehr erinnern. Er wolle auch im Friedensprozess im Nahen Osten nicht Partei ergreifen, »das müssen die dort lebenden Menschen miteinander klären.« Er sei ein »Außenstehender«.
Missverstanden fühlt sich der Pirat, der meist mit einer knall-orangenen Latzhose bekleidet und erst seit Kurzem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses ist, in der Öffentlichkeit vor allem auch deshalb, weil bislang niemand auf ein anderes Kleidungs-Accessoire geachtet habe. »Ich trage gleichzeitig auch einen Davidstern, allerdings ist das niemandem bisher aufgefallen«, bedauert Claus-Brunner.
Sein schwarz-weißes Palästinensertuch, das der verstorbene PLO-Chef Jassir Arafat weltweit bekannt machte, will der kritisierte Abgeordnete künftig nicht mehr tragen. Bei seinem öffentlichen Auftritt diese Woche im Berliner Abgeordnetenhaus zeigte Gerwald Claus-Brunner dann Farbe: Zu seiner Latzhose trug er diesmal eine rot-weiße Kufiya und demonstrativ auf seinem T-Shirt eine Halskette mit dem Davidstern. Nachdrücklich plädierte er für mehr Toleranz im menschlichen Umgang.
Dialog Verständnis hat der neue Abgeordnete dagegen für Kritiker, die sich an antisemitischen Mitgliedern der Piraten-Partei stören. »Die können wir nicht einfach rauswerfen«, bedauert Claus-Brunner. »Da setzt uns das Parteiengesetz enge Grenzen. Wir müssen denen parteischädigendes Verhalten konkret vorwerfen.« Es sei zwar schlimm, »dass es solche Stimmen gibt«, er aber setze auf Dialog und Auseinandersetzung.
Menschen, die sich aus dem Nazi- und NPD-Milieu lösen wollten, bräuchten eine Alternative. »Diese bietet die Piraten.« Allerdings nicht in führenden Positionen. Grenzen sieht Claus-Brunner allerdings bei Nazis, die versuchen, seine Partei zu unterwandern.