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Mit Bodenhaftung

Im Aufbau begriffen: Die israelische Regierung möchte im Osten von Jerusalem 1.600 neue Wohungen errichten. Foto: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt im Gespräch hinter verschlossenen Türen oft kein Blatt vor dem Mund. So zum Beispiel auch am Samstag vor zwei Wochen. Während eines Telefonats mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu kritisierte Merkel den in Ostjerusalem ge- planten Wohnungsbau. Zwei Tage später wiederholte die deutsche Regierungschefin ihre Schelte sogar öffentlich – beim Empfang des libanesischen Premierministers Saad Rafik Hariri. In der Frage, ob es zu einer Annäherung zwischen den Palästinensern und Israel komme, habe man durch den Siedlungsbau einen »schweren Rückschlag« erlitten, sagte Merkel. Sie hoffe, dass Israel künftig »konstruktiv und nicht weiterhin so negativ« mitarbeite.

Nachdem Netanjahus Büro dafür gesorgt hatte, dass Teile des vertraulichen Telefonats öffentlich wurden – und zwar so, als habe der Premier die Kanzlerin angerufen, um sie über die Bautätigkeit zu informieren –, war Merkel verärgert: Sie habe das Gefühl, Netanjahu »benutze sie für seine Bedürfnisse«, hieß es in Regierungskreisen. Dabei war es die CDU-Chefin, die zum Hörer gegriffen hatte, nachdem sie von der US-Administration darum gebeten worden war. Präsident Barack Obama wollte, dass deutlich wird: Die USA stehen mit ihrer Kritik des Siedlungsbaus nicht alleine.

Verstimmung Verweist das auf eine Krise in den deutsch-israelischen Beziehungen? Oder sind dies offene Worte unter Freunden? Israels früherer Botschafter in Berlin, Shimon Stein, beschwichtigt: »Frau Merkel ist eine echte Freundin Israels. Mit ihrer Kritik müssen wir uns auseinandersetzen.« Auch Ruprecht Polenz (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, meint: »Es gibt keine Verstimmungen.« Doch der CDU-Politiker fügt auch hinzu: »Die andauernde Siedlungstätigkeit verbaut Haus für Haus den Weg zur friedlichen Lösung.« Merkels Kritik diene somit den israelischen Interessen. »Die sind auf Dauer nicht sicherzustellen, wenn es keine Einigung gibt. Beide Seiten können nur verlieren, wenn es beim Status Quo bleibt«, betont Polenz. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dennoch, man sehe »keinen Anlass für Defätismus«. Die Siedlungsaktivitäten hätten keinen grundlegenden Einfluss auf die besonderen Beziehungen zu Israel, »das schließt nicht aus, dass man sich besorgt äußert«. Auch der ehemalige deutsche Botschafter in Tel Aviv, Rudolf Dressler (SPD), hält die deutsch-israelischen Beziehungen für stabil. »Sie haben nichts mit einzelnen Äußerungen von Regierungen zu tun.«

Überhaupt wird viel beruhigt. Shimon Stein verweist angesichts der gespannten USA-Israel-Beziehungen darauf, dass bereits 1969 der damalige US-Außenminister William P. Rogers gefordert habe, dass sich Israel hinter die Grenze zurückziehe, die vor 1967 bestanden hatte. Auch US-Präsident Bill Clinton habe sich im Jahr 2000 ähnlich geäußert.

Immer ist es die Siedlungspolitik, die Fortschritte verhindere, heißt es. Rudolf Dressler, der fünf Jahre in Israel deutsche Interessen vertrat, sagt: »Die israelische Seite muss einerseits begreifen, welche fundamentale Bedeutung die Siedlungspolitik auf der palästinensischen Seite hat.« Andererseits müssen die Palästinenser einsehen, dass die Anwendung von Gewalt für Israelis nicht akzeptabel sei.

Sicherheit Außenpolitiker Ruprecht Polenz nennt den Siedlungsbau für beide Seiten »essenziell«. Wichtig seien allerdings auch der Grenzverlauf, die Flüchtlingsfrage, die Regelungen für Jerusalem »und natürlich die Sicherheit«. Das ist eine lange Liste, die aus deutscher Sicht nicht nur Israel abarbeiten muss. Polenz schwört beide Seiten ein: Palästinenser sollten sich von dem Gedanken verabschieden, dass die Flüchtlinge von 1948 ein Rückkehrrecht nach Israel bekommen. Die Israelis hingegen müssten sich von dem Gedanken verabschieden, dass Judäa und Samaria im Westjordanland ihnen gehören.

Wie Berlin für diese politischen Ziele in Jerusalem und Ramallah am besten Gehör findet, ist damit noch nicht gesagt. Im Auswärtigen Amt verweist man auf die Stellungnahmen des Nahostquartetts, das Mitte März wieder getagt hat. Die Vertreter der USA, Russlands, der EU und der UN hatten in einer Erklärung die Baupläne für Ostjerusalem »verurteilt«. Merkel hingegen, glaubt Dressler, agiert wie einst Außenminister Fischer (Grüne): »Hinter verschlossenen Türen wird ein offenes Wort geführt. Das hat auf beiden Seiten zu großem Vertrauen geführt.« Es sei denn, vertrauliche Gesprächsinhalte werden veröffentlicht.

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