Herr Ministerpräsident, Sie haben vergangenen Donnerstag mehr Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus angemahnt. An wen richtete sich dieser Aufruf?
An die gesamte Gesellschaft. Nach den schrecklichen Ereignissen, die wir im Oktober vergangenen Jahres in Halle erleben mussten, ist ein Ruck durch die Gesellschaft gegangen, der auch in einer klaren Solidarisierung mit den jüdischen Gemeinden und dem jüdischen Leben Ausdruck gefunden hat. Insofern habe ich mit meinem Aufruf nochmals darauf hingewiesen, dass es jetzt auf jeden Einzelnen ankommt, dass es keine Toleranz gegenüber jeder Form des Antisemitismus und Rassismus geben darf und Zivilcourage das Gebot der Stunde ist. Unser kategorischer und moralischer Imperativ kann nur lauten: Nie wieder!
Am Tag zuvor hatte ein Hallenser auf dem Marktplatz mitten in der Stadt mehrere Passanten als »Judensau« beschimpft. Ein 28-Jähriger, der Zivilcourage zeigte, erhielt vom Täter einen Schlag ins Gesicht. Die Polizei ahndete das lediglich mit einem Platzverweis. Ist dies das richtige Signal?
Bestimmt nicht. In solchen Fällen muss sehr viel entschiedener und entschlossener durchgegriffen werden. Es handelt sich bei solchen Beschimpfungen nicht um Bagatellen. Wehret den Anfängen! Deshalb müssen wir nochmals dafür sensibilisieren, wie die Polizei mit solchen Vorgängen umzugehen hat, damit in der Gesellschaft wahrgenommen wird, dass der Staat mit aller Konsequenz handelt und zu handeln hat.
Vor der Gemeinde in Halle wurde erneut ein Hakenkreuz entdeckt, ein Polizeibeamter soll es stillschweigend wieder beseitigt haben. Wie bewerten Sie diesen Vorgang?
Das ist unter keinen Umständen ein hinnehmbares Verhalten. Es wurde deshalb sofort Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gestellt und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Zudem wurde der Tatverdächtige ermittelt.
Wie ist es zu erklären, dass der mutmaßliche Synagogen-Attentäter von Halle unbeobachtet einen Fluchtversuch unternehmen konnte?
Das darf nicht passieren, schon gar nicht in unserem Land. Hier ist klar gegen die durch das Justizministerium erlassene Sicherungsverfügung verstoßen worden. Entgegen den Vorgaben wurde der Gefangene nicht permanent beobachtet. Auch hier wurden bereits Konsequenzen gezogen. Wenn Sie sich auf eines verlassen können, dann darauf, dass mir das jüdische Leben seit vielen Jahren am Herzen liegt. Wir sind froh, dass es seit 1990 wieder Gemeinden gibt. Wir bauen in Magdeburg und Dessau Synagogen. Das ist Sachsen-Anhalt! Unser Land ist weltoffen und pluralistisch. Und davon werden wir keinen Millimeter abweichen.
Mit dem Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt sprach Detlef David Kauschke.