Thomas Heilmann wehrt sich gegen Kritik. »Sie beruht auf Missverständnissen«, sagt der Berliner Justizsenator (CDU), der am Mittwoch vergangener Woche eine Regelung vorgestellt hatte, die Beschneidung jüdischer und muslimischer Jungen straffrei belässt. Dort heißt es, Eltern müssten »die religiöse Notwendigkeit« nachweisen. Und der Eingriff müsse nach höchsten medizinischen Standards vorgenommen werden, das könne »nach jetzigem Stand nur ein approbierter Arzt« gewährleisten.
Demonstration »Unglücklich« nannte der orthodoxe Berliner Gemeinderabbiner Yitshak Ehrenberg die Regelung, »so kann es nicht bleiben«. Die Kritik an Heilmann und seiner als »Berliner Regelung« vorgestellten Übergangsleitlinie war besonders am vergangenen Sonntag laut geworden.
Da hatten sich auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte etwa 500 Menschen versammelt, um für das Recht auf religiöse Beschneidung zu demonstrieren. Aufgerufen hatte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, mit Unterstützung von verschiedenen jüdischen und nichtjüdischen Organisationen und Einrichtungen.
Auf der Kundgebung war Heilmanns Anliegen, für Berlin eine Übergangslösung zu schaffen, gelobt worden. Der Senator sei gewiss kein Antisemit, hatte Rabbiner Ehrenberg ausgerufen, »er ist ein Judenfreund, aber das Resultat ist unglücklich«. Ehrenberg kritisierte auch den Passus, nur Mediziner dürften den Eingriff durchführen. »Heilmann sagt einerseits, die Mohalim könnten weitermachen. Aber dann sagt er, nur Ärzte dürfen beschneiden«, ärgert sich der Rabbiner. »Wie soll das gehen?«
judennachweis Lala Süsskind, Vorsitzende des Forums, fragte: »Wie soll ich nachweisen, dass eine Beschneidung aus religiösen Gründen geschieht?« Vor etlichen Jahren hätte man sie auf der Straße als Jüdin erkannt – »diese Zeiten wollen wir nicht mehr haben«. Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse empörte sich gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: »Heißt das, dass wir jetzt statt eines Ariernachweises einen Judennachweis haben?«
Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, nannte Heilmanns Ansatz ein gutes Signal, »aber die konkrete Zwischenlösung hilft uns nicht weiter«. Maram Stern, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongress, erklärte: »Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht.«
Heilmann sagte dieser Zeitung, er nehme die Kritik ernst. Was er in der vergangenen Woche als »Berliner Praxis zur Strafverfolgung von Beschneidungen« vorgestellt hatte, sei nur ein »Brief an Berliner Ärzte« gewesen, der »sich auf ärztlich durchgeführte Beschneidungen« beziehe. Einen Nachweis der Religionszugehörigkeit brauche es »definitiv« nicht. »Vielmehr müssen Ärzte anstelle des Nachweises einer medizinischen Indikation die religiöse Motivation dokumentieren.«
Mohalim Auf die Kritik in Bezug auf die Mohalim antwortet Heilmann, das Land Berlin könne deren Position weder verbessern noch verschlechtern. Durch seine Regelung sei aber immerhin der Status wieder erreicht worden, der vor dem umstrittenen Urteil des Landgerichts Köln geherrscht habe. Der CDU-Politiker fordert weiterhin ein Bundesgesetz, »weil nur so ein rechtlicher Status für die Mohalim geschaffen werden kann, der deren medizinische Fachkunde auch rechtlich verankern kann«.
Derweil findet Heilmanns Initiative auch Nachahmer. Die bayerische Justizministerin Beate Merck kündigte an, der Freistaat werde vorerst alle Strafverfolgungsmaßnahmen zurückstellen. Das betrifft aber nicht das laufende Ermittlungsverfahren im fränkischen Hof gegen den Rabbiner und Mohel David Goldberg, gegen den Anzeige erstattet wurde.
Ein Gesetz, das die Beschneidung legalisiert, wird derzeit im Bundesjustizministerium erarbeitet. Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betont: »Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass über die Beschneidungsdebatte Antisemitismus Vorschub geleistet wird.«
strafanzeige Dass Eile geboten ist, betonen sowohl jüdische als auch muslimische Vertreter. Nach dem Kölner Urteil haben sich einige Krankenhäuser von der medizinisch nicht indizierten Beschneidung verabschiedet. Daher hatte Heilmann angekündigt, er wolle sich mit muslimischen und jüdischen Verbänden beraten.
Ein Gesprächspartner war das American Jewish Committee, dessen Rat er aber nicht folgte: Es hatte in seiner Stellungnahme vor einer Einwilligungserklärung der Eltern gewarnt, diese würde als Diskriminierung gewertet werden und »auf großen Widerstand innerhalb der jüdischen Gemeinde stoßen«. Die Prognose hat sich bestätigt.