Die Geburtswehen der neuen Regierungskoalition in Israel dauerten lange, doch nun ist der Koalitionsvertrag unter Dach und Fach. Der alte und neue Regierungschef Benjamin Netanjahu konnte am Samstagabend Staatspräsident Schimon Peres verkünden: »Ich habe die Mission erfüllt«. Die beteiligten Parteien – Likud, Israel Beiteinu, Jüdisches Haus und Zukunftspartei – haben sich über eine neue Koalitionsregierung geeinigt.
ultraorthodoxe Erstmals werden in der künftigen Regierung keine ultraorthodoxen Parteien vertreten sein. Für die Siedlungspolitik hat das keine Bedeutung, denn ausgerechnet die Ultraorthodoxen standen bei diesem Thema eher »links« und haben in der Vergangenheit für den Rückzug aus Sinai und dem Gazastreifen mitsamt einer Aufgabe von Siedlungen gestimmt.
Deren Fehlen am Kabinettstisch wird vor allem soziale und finanzielle Folgen haben, sobald sie keine Möglichkeit mehr haben, viel Geld in ihr separates Erziehungssystem zu lotsen. Zudem drohen dem orthodoxen Bevölkerungssektor schmerzhafte Kürzungen, sollten Netanjahus Koalitionspartner ihre Wahlversprechen zu »sozialer Gerechtigkeit« und »gleiche Pflichten für alle« durchsetzen, also auch Militärdienst für die bisher freigestellten Ultra-Frommen.
Kurs Die künftige Regierungsmannschaft wird ziemlich bunt gewürfelt sein, sodass sich nur schwer ein klarer Kurs ablesen lässt. Die verbreiteten Klischees vom »Hardliner« oder »extrem-nationalistisch« helfen da nicht weiter, wenn zum Beispiel der als »rechts« eingestufte Naftali Bennett das Religionsministerium und das unpolitische Handels- und Industrieministerium übernimmt. Die von vielen als gemäßigt dargestellte künftige Justizministerin Zipi Livni wurde zwar mit den Friedensverhandlungen betraut. Doch da sie nur ein kleiner Koalitionspartner ist, wird sie keine eigenen Wege gehen können.
Ein klassischer rechtsgerichteter Hardliner wäre Uzi Landau. Doch der soll Tourismusminister werden und dürfte nur geringen Einfluss auf die große Politik haben, darunter Herausforderungen wie Irans Atomprogramm, das zerfallende Syrien, die Palästinenser oder Ägypten. Der künftige Verteidigungsminister wird Moshe Yaalon. Sein ehemaliger Amtsvorgänger, Amir Peretz, wird als künftiger Umweltminister nicht viel mitreden können.
Posten Das Außenamt wird vorläufig der Ministerpräsident betreuen. Denn dieses Amt soll für Avigdor Lieberman reseviert werden, bis der seinen Korruptionsprozess mit einem Freispruch überwunden hat. Sollte das Gericht Lieberman schuldig sprechen, müsste dieser Posten neu verhandelt werden.
Der wichtigste und mächtigste Posten neben dem Ministerpräsidenten fiel an Yair Lapid, dessen Zukunfts-Partei ohne klares Konzept bei den Wahlen fast so gut abgeschlossen hat wie das Bündnis von Netanjahu und Lieberman. Doch Lapid ist ein Neuling in der Politik und deshalb ein unbeschriebenes Blatt. Gleichwohl wird er künftig mitentscheiden, wohin die knappen Gelder fließen.
Mehr Sicherheit bedeutet weniger Geld für Soziales. Mehr Straßen oder Wohnungen in Israel wie in den besetzten Gebieten bedeuten weniger Gesundheit und Wissenschaftsförderung. Offen ist, wo Lapid die Schwergewichte setzen will. Davon wird aber ganz entscheidend auch die Zukunft Israels abhängen. Denn Israels Probleme lassen sich nicht nur auf Siedlungen oder »Palästina« reduzieren. Ohne funktionierende Wirtschaft lässt sich auch kein Frieden schaffen.