Einspruch

Minjan ohne Maske?

Stephan Probst, leitender Oberarzt am Klinikum Bielefeld und Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer Foto: Michael A. Schmiedel

Dieser Tage fällt es vielen schwer, den Überblick über die noch geltenden Corona-Schutzregeln zu behalten und für sich selbst zu entscheiden, wann und wo sie nun in Zukunft freiwillig eine Maske tragen werden. Die beschlossenen Lockerungen machen es nun wirklich schwer, dem Virus weiterhin auszuweichen.

Die zuletzt durch die Omikron-Variante in die Höhe geschossenen Infektionszahlen gingen zwar tatsächlich mit überwiegend milden Verläufen einher, aber mild bedeutete nicht immer harmlos. Viele Krankenhäuser waren in den letzten Wochen nicht mehr in der Lage, die optimale Versorgung ihrer Patienten zu garantieren, und wir mussten auch erleben, dass die Booster-Impfung durchaus nicht jeden vor schweren oder gar tödlichen Verläufen bewahren konnte.

gesundheitsprobleme Was an langfristigen Gesundheitsproblemen auf eine große Zahl von Menschen zukommen wird, werden erst die kommenden Jahre und Jahrzehnte zeigen. Covid zwingt uns, vieles anders zu betrachten, und dies müssen wir bei der Frage bedenken, wie wir als jüdische Gemeinschaft mit dem derzeitigen Regel-Chaos umgehen sollen. Pessach-Seder nur für Geimpfte, Minjan nur mit Maske?

Nach der jüdischen Tradition werden wir immer und in erster Linie für das Leben entscheiden.

Nach der jüdischen Tradition werden wir immer und in erster Linie für das Leben entscheiden: »uwcharta ba’Chaim« – zuallererst also zum Schutz der möglicherweise Gefährdeten auf Nummer sicher gehen und freiwillig Schutzmaßnahmen einhalten, die nicht mehr zwingend vorgeschrieben sind.

Die neben dem Recht auf persönliche Freiheit als Argument gegen die Schutzmaßnahmen ebenfalls vorgetragene Befürchtung, dass zu viel Covid-Abschottung unser Immunsystem kompromittieren könnte, wird von Immunologen nicht geteilt. Dass aber eine gut sitzende FFP2-Maske etwa 75-mal besser vor einer Covid-Infektion schützt als eine Alltagsmaske und diese viel besser als keine Maske schützt, ist sicher.

Der Autor ist leitender Oberarzt am Klinikum Bielefeld und Mitglied der
Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer
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