Private Belastungen machen nach den Worten des neuen Militärrabbiners Nils Ederberg (57) den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ebenso zu schaffen wie die geopolitische Lage. Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagte Ederberg, der am Dienstag offiziell in sein Amt als erster liberaler Militärrabbiner für die nördlichen Bundesländer eingeführt wird.
Die Soldatinnen und Soldaten dürften ihm Sorgen und Nöte schildern, dazu müssten sie keine Juden sein, erklärte Ederberg.
»Auch wer beispielsweise Katholik ist, darf zum Militärrabbiner gehen. Umgekehrt dürfen jüdische Soldatinnen und Soldaten zum katholischen Priester gehen.« Atheisten seien ebenfalls willkommen, sagte der Rabbiner, dessen Büro sich in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg befindet, der aber beruflich im ganzen Norden unterwegs ist.
Zu den Menschen zu gehen, mache den Hauptteil seiner Arbeit aus, zumal die Militärrabbiner sich erst einmal überall bekannt machen müssten, denn das Militärrabbinat gebe erst seit 2021, sagte der Seelsorger. Aktuell gibt es in Deutschland sechs Militärrabbiner, zehn sollen es werden. In Hamburg sind es zwei, Ederberg ist der liberale, sein Kollege Shmuel Havlin der orthodoxe Militärrabbiner. Als Wochenendpendler fährt Ederberg an freien Tagen nach Berlin zu seiner Familie.
Zu den Menschen gehen
Aus den Besuchen an den 53 Standorten im Norden ergäben sich später Anfragen, sagte Ederberg - wie beispielsweise die Bitte, an einem Standort den sogenannten Lebenskundlichen Unterricht anzubieten. »Das sind religionsneutrale Unterrichte zu ethischen und moralischen Themen, die von zwei Stunden bis zu dreitägigen Seminaren dauern können.«
Die Themen, über die Soldatinnen und Soldaten mit Ederberg sprechen, seien vielfältig: »Viele sprechen über klassische Lebenssituationen, die belastend sind. Krankheit und Tod innerhalb der Familie beispielsweise, aber auch eigene Lebensprobleme.« Jüngere Leute berichteten eher über Liebeskummer oder finanzielle Sorgen.
Auch politische Themen bewegten die Soldatinnen und Soldaten, sagte Ederberg: »Die Kriegssituation in Europa, der Krieg im Nahen Osten, Fragen wie ›Was passiert mit uns, wenn die Amerikaner Europa im Stich lassen?‹ oder ›Was macht Putin?‹, das sind Themen, die auch die Angehörigen der Bundeswehr existenziell beschäftigen. Die wissen ja auch, wo sie im Falle eines Krieges mit Bundeswehr-Beteiligung selber wären.«
Außerdem bilde die Bundeswehr im Rahmen einer Partnerschaft Ukrainer aus. »Für unsere Ausbilder gehört es zu den belastendsten Elementen überhaupt, nacheinander Gruppen von Ukrainern auszubilden, die dann jeweils direkt in den Kampf an die Front ziehen.« Auch das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung und der Militärs sei in Seelsorgegesprächen Thema. epd