Am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag voraussichtlich über die Wiedereinführung von Militärrabbinern in Deutschland. Erwartet wird dafür eine große Mehrheit. Die Jüdische Allgemeine beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Warum gibt es bislang keine jüdische Militärseelsorge bei der Bundeswehr?
Im Ersten Weltkrieg kämpften rund 100.000 jüdische Soldaten für Deutschland. Sie wurden von Feldrabbinern begleitet. Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus brach diese Tradition ab. Die Wehrmacht beteiligte sich zudem an den Verbrechen der Schoa. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Gründung der Bundeswehr in den 1950er-Jahren wollten die meisten Juden keinen Dienst in einer deutschen Armee leisten. Auch von der damaligen Wehrpflicht waren Juden ausgenommen. An Militärrabbiner war damit ebenfalls nicht zu denken. Heute gilt es als normal und selbstverständlich, dass in der Bundeswehr auch jüdische Soldaten sind.
Wie viele jüdische Soldaten gibt es in Deutschland?
Schätzungen gehen von rund 300 Juden unter den rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aus. Die Zahl der Christen wird auf rund 90.000 geschätzt, die der Muslime auf 3000. Genauere Zahlen gibt es nicht, da die Religionszugehörigkeit der Soldaten nur auf freiwilliger Basis erfasst wird.
Was ist jetzt geplant?
Im vergangenen Dezember schlossen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Zentralrat der Juden in Deutschland einen Staatsvertrag über die jüdische Militärseelsorge - ähnlich denen mit der katholischen und der evangelischen Kirche. Dieser Vertrag muss nun noch durch den Bundestag in Form eines Gesetzes verabschiedet werden. Danach kann der Aufbau des neuen Seelsorgeangebots beginnen. Vorgesehen ist - entsprechend den christlichen Militärbischofsämtern - die Einrichtung eines Militärrabbinats in Berlin. Der dort angesiedelte Militärbundesrabbiner soll die zunächst bis zu zehn Militärrabbiner leiten.
Welche Aufgaben übernehmen die Militärrabbiner?
Neben der Seelsorge im In- und Ausland sowie der Begleitung von Soldaten und deren Angehörigen bei Auslandseinsätzen gehören auch andere Aufgaben zum Amt des Militärrabbiners: Sie sollen die Halacha, das jüdische Recht, lehren, über religiöse Fragen entscheiden und sicherstellen, dass die Mizwot, die jüdischen Gebote, eingehalten werden. Auch am sogenannten lebenskundlichen Unterricht zur berufsethischen Bildung der Soldaten werden die Rabbiner - wie ihre christlichen Pendants - mitwirken.
Wann werden die ersten Militärrabbiner ihren Dienst antreten?
Derzeit ist geplant, dass die ersten Rabbiner ab Herbst 2020 ausgewählt werden. Dann wird auch die Organisationsstruktur der Bundeswehr angepasst. Am Anfang soll die seelsorgliche Betreuung nach Angaben des Verteidigungsministeriums über eine zentrale Anlaufstelle organisiert werden. Bei Bedarf können die Militärrabbiner aber auch dann schon zu allen Dienststellen und Einsatzorten im In- und Ausland reisen. Später sind Außenstellen des Rabbinats vorgesehen.
In welchem Verhältnis steht die jüdische Militärseelsorge zum Staat?
Wie die christliche wird auch die jüdische Militärseelsorge durch den Staat organisiert und finanziert. Der Militärbundesrabbiner wird aber wie auch die Militärbischöfe von der jeweiligen Religionsgemeinschaft, in diesem Fall vom Zentralrat der Juden, bestimmt - im Einvernehmen mit der Bundesregierung. Die jeweiligen Leiter der Seelsorge stehen dabei in keinem Dienstverhältnis zum Staat. Kosten werden aber erstattet und eine Aufwandsentschädigung gezahlt. Die Pfarrer, Priester und Rabbiner werden ebenfalls von ihrer Religionsgemeinschaft ausgewählt. Sie sind aber vom Staat als Beamte auf Zeit eingestellt. Bei ihrer geistlichen Tätigkeit sind sie jedoch von staatlichen Weisungen unabhängig.
Was ist mit einer Seelsorge für Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften in der Bundeswehr?
Die Verteidigungsministerin hat bereits mehrfach davon gesprochen, dass auch eine Seelsorge für orthodoxe Christen und Muslime etabliert werden soll. Im Bundestag gibt es ebenfalls viel Sympathie dafür. Vor allem mit Blick auf die Muslime ist bislang allerdings noch offen, in welcher Form die Seelsorge organisiert werden kann. Ein Staatsvertrag wie mit Christen oder Juden scheint nicht infrage zu kommen, da dafür aus Sicht Kramp-Karrenbauers ein zentraler Ansprechpartner fehlt. Denkbar wäre es, muslimische Geistliche über sogenannte Gestellungsverträge an die Bundeswehr zu binden.