Herr Roth, vergangene Woche haben Sie Ihr Büro im Bundestag leergeräumt. War das schwer für Sie?
Nein, ich habe mich gut darauf vorbereitet. Nur Abschied zu nehmen von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mir ans Herz gewachsen sind, fiel mir schwer. Aber wir haben es uns schön gemacht und waren noch mal Kaffee trinken und Torte essen.
Kann man nach 27 Jahren im Bundestag einfach den Schalter umlegen und von einem Tag auf den anderen wieder normaler Bürger sein?
Das weiß ich nicht, da fehlt mir die Erfahrung. Ich habe noch nie nach so vielen Berufsjahren einen Job, der eine Berufung ist, aufgegeben. Ich muss das jetzt erst lernen. Aber es ist ein Abschied, der tut immer ein bisschen weh.
Während wir reden, laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Mischen Sie sich da gar nicht ein? Beim Thema Außenpolitik gibt es noch ein paar umstrittene Punkte …
Ich habe mich wirklich nicht eingemischt. Nur einmal kurz: Als wir doch noch mal eine Sondersitzung des Bundestages hatten, habe ich darauf gedrängt, künftig mit Blick auf osteuropäische Länder wie Georgien und Armenien eine klarere Haltung der Solidarität in Taten zu finden. Hier ist unsere bisherige Politik zu wenig strategisch. Das war aber auch schon alles, und ich habe es deshalb gemacht, weil ich die verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen zufällig traf.
Hätten Sie denn noch Lust, mitzuverhandeln?
Nein.

Als Sie 1998 das erste Mal in den Bundestag einzogen, war eines Ihrer ersten Projekte der Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Warum war das dem 28-jährigen Michael Roth so wichtig?
Ich habe mich damals ein wenig geschämt, dass wir in unserer Erinnerungskultur nach wie vor keine angemessene Form und Haltung gefunden haben, der sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden zu gedenken. Es folgten noch viele offene Baustellen, etwa beim Gedenken an die ermordeten Sinti und Roma oder Homosexuelle. Da lag also noch viel brach. Für mich war es daher nur konsequent, mich entsprechend einzubringen.
Trotzdem, Sie hätten alles Mögliche machen können. Warum dieses Thema?
Der Umgang mit dem Holocaust und die Frage, was aus diesem folgt, hat mich schon während meiner Schulzeit stark geprägt. Durch mein Engagement in der evangelischen Jugendarbeit bin ich mit der Aktion Sühnezeichen in Verbindung gekommen. Der Gedanke, dass es für uns Deutsche eine besondere Verpflichtung gibt, hat mich nie wieder losgelassen. Und einmal ganz offen gesagt: Ich bin in Nordhessen unmittelbar an der Grenze zur ehemaligen DDR groß geworden. Für mich war klar, wer solche Menschheitsverbrechen wie die Deutschen begangen hat, muss dafür einen hohen Preis zahlen – das war die Teilung Deutschlands. Ich hatte mich damit abgefunden. Womit ich mich nicht abgefunden hatte, war, dass die Menschen in der DDR in einer Diktatur und in Unfreiheit leben müssen.
Hätten Sie sich damals vorstellen können, dass heute, so viele Jahre später, der Antisemitismus in Deutschland ein derart großes Problem sein würde?
Niemals. Ich wusste, dass es alte und neue Nazis gibt. Ich wusste auch, dass es in migrantischen, vor allem arabischen und türkischen, Kreisen einen tief sitzenden Hass gegenüber Israel gibt, den ich aber auch bisweilen weggelächelt habe. Völlig kalt erwischt wurde ich vom Antisemitismus in meinem eigenen linken und linksliberalen Milieu, insbesondere nach dem 7. Oktober 2023. Das hat mich erschüttert.
Wie hat das Ihren Blick auf Deutschland verändert?
Ich habe mich stets als Linker verstanden, hatte als junger Mensch ein schwieriges Verhältnis zur Nation, zu Deutschland. Ich wollte die Nationalhymne nicht singen und habe mich nicht als Patriot gesehen. Durch meine Arbeit im Bundestag bin ich dann doch zu einem aufgeklärten Patrioten geworden. Aber jetzt stehe ich vor den Trümmern einer naiven Gesellschaftspolitik, die offensichtlich nicht verstanden hat oder verstehen wollte, dass der Antisemitismus unter uns niemals weg war. Mein Land ist mir wieder fremder geworden. Das tut weh.
»Für mich war immer klar: im Zweifelsfall für Israel. Damit wähnte ich mich lange im politischen Mainstream.«
michael roth
Sie waren 1999 das erste Mal in Israel und danach viele weitere Male. Wie würden Sie Ihre Verbindung zum jüdischen Staat beschreiben?
Ich habe mich immer als einen völlig unauffälligen Freund Israels gesehen, weil das für mich schlicht und ergreifend selbstverständlich war. Gleichwohl ich mit dem Begriff der Staatsräson nie viel anfangen konnte, weil ich ihn als einen typisch deutschen Begriff gesehen habe – blutarm, technokratisch –, wo es doch eigentlich um etwas sehr Emotionales geht, eine tief sitzende Freundschaft. Für mich war immer klar: im Zweifelsfall für Israel. Damit wähnte ich mich lange im politischen Mainstream.
Was ist passiert?
Es ist zu viel passiert. Bereits vor Jahren hatte ich ein einschneidendes Erlebnis, das mir zeigte, was in Deutschland schiefläuft. Das war bei einem meiner regelmäßigen Besuche der türkisch-muslimischen DITIB-Gemeinde bei mir in Bad Hersfeld. Wir diskutierten und irgendjemand sprach plötzlich von den Israelis als neuen Nazis im Nahen Osten, die die Palästinenser genauso ermordeten wie die Deutschen damals die Juden. Ich fand das ungeheuerlich und fragte, ob denn keiner so einem Satz widersprechen möge. Als kein Widerspruch kam, ging ich etwas bedröppelt und kam auch nicht wieder.
Sie beschreiben sich selbst als dem linken Milieu zugehörig. Wie hat sich Ihr politisches Selbstverständnis, insbesondere nach dem 7. Oktober, gewandelt?
Ich hätte nie für möglich gehalten, dass eine derartige Geschichtslosigkeit in linken Kreisen traurige Urständ feiert: dass linke Politikerinnen und Politiker nicht wissen, was der Zionismus ist und ihn in Verbindung bringen mit Gewalt und Terror. Dass sie nicht wissen, dass es ohne den Holocaust die Gründung des Staates Israel vermutlich niemals gegeben hätte. Dass sie es wagen, dieses demokratische Land als einen kolonialistischen Apartheidstaat zu diffamieren. Für mich muss es als Linker Teil der eigenen DNA sein, sich zu jüdischem Leben und zum Staat Israel zu bekennen.
Die Sozialdemokratin und ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz hat den Zionismus in einem Social-Media-Post auf genau die Weise verteufelt, die Sie kritisieren. Konsequenzen hat Ihre Partei damals nicht gezogen.
Ich habe in einem letzten Freundschaftsdienst Aydan Özoğuz dazu das gesagt, was ich sagen musste, aber eben nicht öffentlich. Meine Partei hat verdruckst reagiert. Aber jetzt ist sie nicht mehr Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Es hat mich dennoch traurig gemacht, dass es darüber in meiner Partei keine breite Debatte gab. Aber es gibt etwas, das mich noch viel mehr gestört hat.
Was war das?
Wenige Wochen nach dem 7. Oktober 2023 brach bei uns in der Fraktion eine Diskussion darüber los, dass einige, insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen sich beschwerten, sie könnten nicht mehr offen ihre Meinung zur israelischen Kriegsführung in Gaza sagen. Der damalige Fraktionsvorsitzende …
Rolf Mützenich.
… bot dann zu diesem Thema eine Fraktionsdiskussion im geschützten Raum an. Das hat mich einigermaßen fassungslos gemacht. Schließlich sind wir nicht der Ortsverein Pusemuckel, sondern die Bundestagsfraktion. Wenn gewählte Bundestagsabgeordnete glauben, nicht mehr das sagen zu können, was sie denken, wirft das ein bezeichnendes Licht auf sie selber. Ich finde, man kann über alles reden. Aber man muss immer mit Kritik rechnen. Dass einige einen Kokon wünschten, der sie vor Kritik schützt, wenn man dämliche Argumente vorträgt, war für mich persönlich einer der Tiefpunkte in meiner langen Zeit als Mitglied der SPD-Fraktion.
Gegenüber dem »Stern« haben Sie Ihre Entscheidung, aus der Politik auszusteigen, auch mit einer zunehmenden Entfremdung von Ihrer Partei begründet, in der vielen Ihr Engagement für die Ukraine nicht gefallen hat. Sind Sie dort auch wegen Ihrer pro-israelischen Haltung angeeckt?
Mir gegenüber hat nie jemand Kritik wegen meiner Haltung zu Israel geübt. Meine Partei hat traditionell sehr enge Beziehungen zu dem Land. Aber ich habe schon gespürt: Ich nerve. Wieder einmal. Als ich wenige Wochen nach dem 7. Oktober nach Israel reiste, legten mir einige, im Übrigen auch unsere Botschaft in Tel Aviv, nahe, auch in die Palästinensergebiete zu reisen. Dabei war es doch ein Solidaritätsbesuch mit den Opfern, und das waren, kurz nach dem Hamas-Angriff auf Israel, nun mal nicht die Palästinenser.
Mit dem 7. Oktober und seinen Folgen, aber auch mit der Wahl der bisher rechtesten Regierung in Jerusalem sind gleich mehrere schwere Bewährungsproben für das deutsch-israelische Verhältnis in die drei Jahre der Ampel-Koalition gefallen. Hat die Bundesregierung diese Ihrer Meinung nach bestanden?
Sie hat die Bewährungsprobe in einem Punkt nicht bestanden: nämlich genau zu erklären, was denn Staatsräson in Zeiten des Kriegs bedeutet. Wie weit muss man in der Unterstützung Israels gehen, wie weit will man gehen? An den öffentlichen Aussagen, vor allem auch denen des Bundeskanzlers, habe ich wenig zu kritisieren. Doch ich hatte gelegentlich den Eindruck, dass Worte und Handeln etwas auseinanderdriften. Zudem ging mir der belehrende Ton gegenüber Israel zuweilen auf den Zeiger. Im Gegensatz zu allen anderen Staaten im Nahen Osten hat Israel eine eigene quicklebendige Opposition und eine kritische, wachsame Zivilgesellschaft. Die brauchen unsere Nachhilfe nicht unbedingt jeden Tag.
An wen denken Sie, wenn Sie von einem belehrenden Ton gegenüber Israel sprechen?
Ich will da jetzt keine Namen nennen. Mir geht es um eine Form der Politik, die sich nicht angreifbar machen möchte und daher immer wieder auf eine Position der Äquidistanz zurückfällt. Grundsätzlich halte ich das zwar für legitim und teilweise auch für klug. Aber mit dem Begriff der Staatsräson, mit der unverbrüchlichen Solidarität mit Israel, ist eine solche Politik eben nicht vereinbar.
Sie sagten zuvor, mit Staatsräson eigentlich wenig anfangen zu können. Welche Formel für das deutsche Verhältnis zu Israel würden Sie bevorzugen?
Ich weiß, dass es schwierig ist, einen Begriff dafür zu finden. Für mich ist es eine ganz besondere Freundschaft zu Israel. Ein emotionaler Begriff aus den zwischenmenschlichen Beziehungen würde mir besser gefallen. Insbesondere weil ich wahrnehme, wie wenig Mitgefühl und Verständnis den Israelis geschenkt wird. Wir sind so kalt und abweisend. Wo war eigentlich die deutsche Zivilgesellschaft angesichts der Verbrechen, die die Hamas begangen hat? Warum wurde hierzulande so wenig über die Geiseln in Gaza gesprochen?
»Die Israelis haben sich bisweilen von uns nicht so behandelt gefühlt, wie sie das erhofft hatten.«
michael roth
Israel hat Bedarf an Mitgefühl, aber auch an Waffen. Dennoch lagen ab Januar 2024 viele Monate lang deutsche Waffenexporte an Israel auf Eis, weil die Genehmigung der Bundesregierung fehlte. War das de facto ein Waffenembargo gegen den jüdischen Staat?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil diese Entscheidungen der Bundessicherheitsrat geheim trifft. Ich habe mich immer dafür ausgesprochen, dass Israel die Waffensysteme bekommt, die es braucht und die wir verantwortbar liefern können. Mein Eindruck war allerdings, dass sich die Israelis von uns bisweilen nicht so behandelt gefühlt haben, wie sie das erhofft hatten.
Sie haben kurz nach dem 7. Oktober im Deutschlandfunk gesagt, man müsse Israel jetzt »freie Hand lassen«. Halten Sie diese Formulierung im Nachhinein noch für richtig?
Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft man mir aus diesem Satz eine Schlinge zu drehen versucht hat. Man kann lange streiten, ob diese Formulierung wenige Tage nach dem 7. Oktober perfekt gewesen ist. Mir ging es um Folgendes: Nach dem 11. September 2001 hat ein Bundeskanzler von uneingeschränkter Solidarität gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika gesprochen. Ich habe das damals als völlig richtiges Zeichen empfunden und hätte mir so etwas nach dem 7. Oktober auch für Israel gewünscht. Als ich davon sprach, Israel freie Hand zu lassen, meinte ich ja nicht, zu möglicherweise völkerrechtswidrigem Handeln einfach Ja und Amen zu sagen oder das gar gutzuheißen. Für mich war das eine Geste des tiefen Vertrauens gegenüber Freundinnen und Freunden. Ein »Ja, aber« – wir Deutschen sind eher schlecht im »Ja« und gut im »Aber« – wenige Tage nach dem 7. Oktober hätte ich als völlig deplatziert empfunden. Deshalb werde ich diesen Satz weder relativieren noch zurücknehmen.
Heute sind weite Teile Gazas zerstört und es gibt, egal wessen Zahlen man zugrunde legt, zehntausende Tote, darunter zweifelsohne viele Zivilisten. Denken Sie, dass die israelische Kriegsführung derzeit noch gerechtfertigt ist?
Nein. Ich stimme nach wie vor mit der israelischen Position überein, dass der Terror an der Wurzel gepackt werden und dessen Infrastruktur zerstört werden muss. Nicht nur ich habe aber bisweilen den Eindruck, dass es Netanjahu um ganz andere Dinge geht. Wichtiger als die Rettung der Geiseln ist ihm der Erhalt seiner Regierungsmehrheit und seiner eigenen Macht. Dieser Verdacht erhärtet sich immer mehr und wird mir von vielen Israelis, mit denen ich in Kontakt stehe, bestätigt. Zur Klarstellung: Ich stehe hinter der Entscheidung, diesen Krieg gegen die Hamas entschlossen zu führen. Er wird auch von der breiten Mehrheit der israelischen Gesellschaft getragen. Aber die israelische Regierung geht derzeit mit diesem Mandat nicht sonderlich verantwortungsbewusst um. Bei der aktuellen Lage in Gaza sehe ich gerade auch keine Chance, dass es zu einer weiteren Annäherung zwischen Israel und den moderaten arabischen Staaten kommt, die für einen nachhaltigen Frieden unabdingbar wäre.
Ist die Weiterführung des Krieges nicht so lange gerechtfertigt, bis die Hamas tatsächlich besiegt wurde?
Die Frage ist, ob man die Hamas überhaupt militärisch völlig besiegen kann. Netanjahu hat zwei Kriegsziele vorgegeben – die Zerstörung der Hamas und die Befreiung der Geiseln – und hat keines der beiden bislang erreicht. Ich tue mich persönlich schwer damit, von Deutschland aus darüber zu urteilen. Aber die israelische Regierung muss sich ja selber die Frage stellen, was sie nach so vielen Monaten Krieg und diesem massiven Militäreinsatz erreicht hat. Nun hatten wir im Gaza-Krieg gerade einen Waffenstillstand, und ich bin immer davon ausgegangen, dass sich die Terroristen nicht an ihn halten werden. Dass nun Zweifel daran bestehen, ob sich Netanjahu an ihn gehalten hat, enttäuscht mich.
Stehen die Israelis nicht vor der Wahl, entweder den Krieg weiterzuführen oder der Hamas die Kontrolle des Gazastreifens zu überlassen? Letzteres scheint schwer vorstellbar.
Hier rächt sich, dass es seitens der israelischen Regierung keine Pläne, keine Ideen gibt für den Tag nach dem Krieg. Nicht wenige in Israel, mit denen ich rede, meinen, mit der aktuellen Strategie den Hamas-Terror nie besiegen zu können. Und doch halte ich jeder Regierung in Israel zugute, selten vor Entscheidungen zu stehen, wo es eine eindeutig beste Option gibt. Stets ist das Leben vieler Menschen konkret bedroht.
Sie standen immer für eine stärkere deutsche Unterstützung für Israel und die Ukraine. Mit dem wahrscheinlich nächsten Kanzler Friedrich Merz könnte sich diese Linie nun durchsetzen. Kriegen Sie paradoxerweise als Bürger jetzt die Außenpolitik, die sie als Politiker gerne durchgesetzt hätten?
Das möchte ich erst mal sehen. Ich habe bislang nicht den Eindruck, dass sich sehr viel ändern dürfte. Das, was ich bislang aus den Koalitionsverhandlungen höre und lese, ist eher enttäuschend und nicht das, was ich erwartet hatte.
Ihre SPD wird voraussichtlich auch der neuen Regierung angehören. Neben Ihnen hat mit Kevin Kühnert ein weiterer sehr dezidierter Freund Israels die aktive Politik verlassen. Wie viele von Ihrer Sorte sind noch übrig bei den Sozialdemokraten?
Ich hoffe, ganz, ganz viele. Aber wie immer im Leben kann man in einer Krisensituation mit den Kantinenfreundinnen und -freunden wenig anfangen. Lassen Sie mich das erklären: Für meinen Einsatz für die Ukraine habe ich in der Kantine oder auf den Fluren von meinen eigenen Kolleginnen und Kollegen manches Schulterklopfen erhalten. Ich hätte mir aber gewünscht, dass sie diesen Zuspruch auch einmal publik machen. So ist es auch mit Israel. Ich glaube, dass das Land viele Freundinnen und Freunde auch in der SPD hat. Aber die sollen verdammt noch mal den Arsch hochkriegen und das auch öffentlich sagen.
Was würden Sie der künftigen Regierung gern für ihr Agieren gegenüber Israel mit auf den Weg geben?
Ganz, ganz enge Kontakte knüpfen. Wenn es mit der israelischen Regierung schwierig bleibt, dann mit der Knesset und vor allem der Zivilgesellschaft. Es sollte für deutsche Abgeordnete selbstverständlich sein, regelmäßig nach Israel zu fahren, zuzuhören, sich die Lage anzuschauen, ein Gespür für das Land zu entwickeln und zu erfahren, was für eine bunte, vielfältige, kritische, selbstbewusste Gesellschaft das immer noch ist.
Und Ihr Weg? Wo führt der nun hin?
Ich werde mich als Bürger aktiv einbringen, wenn das gewünscht ist. Zum Schluss würde ich Ihnen aber gerne noch etwas zeigen, damit Sie nicht den Eindruck haben, ich bin ein toller Typ.

Bitte!
Diese Tasse haben wir 2023 anlässlich meines 25-jährigen Jubiläums im Bundestag produziert. Da sind Symbole drauf, die für meine Herzensthemen stehen: eine Ukraineflagge, eine Europaflagge – aber eben keine Israelflagge. Damals war die Freundschaft zu Israel für mich so selbstverständlich, dass ich das gar nicht als besonderes Erkennungsmerkmal von Michael Roth betrachtet habe. Es ehrt mich, dass ich als Politiker wahrgenommen wurde, der sich besonders für Israel und jüdisches Leben einsetzt, und ich deshalb oft Einladungen bekommen habe. Ich bin natürlich auch eitel und dankbar für Aufmerksamkeit. Aber es hinterlässt bei mir einen fahlen Beigeschmack. Im Falle Israels würde ich mir wünschen, ich wäre weiterhin Mainstream. Dass ich längst kein Mainstream mehr bin, sagt mehr über Deutschland, über seine Gesellschaft und Politik aus als über mich.
Das Interview mit dem SPD-Politiker und Politologen führte Joshua Schultheis.