Ob es sich um das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin handelt oder wie jetzt um die Gedenkstätte zur Erinnerung an die deportierten und ermordeten Frankfurter Jüdinnen und Juden an der ehemaligen Großmarkthalle, dem heutigen Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main – immer wieder werden diese wie auch andere besondere Orte der Erinnerung an die Schoa und ihre Opfer in ihrer Würde beschädigt.
Spaßig gemeinte Selfies an den Stelen in Berlin oder Salsa-Tänze an den vorgelagerten Höllenorten der Vernichtung menschlichen Lebens, der brutalen Ermordung jüdischer Frankfurterinnen und Frankfurter, zeigen den Grad der Unachtsamkeit, Unwissenheit oder aber auch der gezielten Provokation, dem es aktiv entgegenzutreten gilt.
Ein gedankenloser Umgang mit diesen Gedenkorten zeigt auch die moralische Verarmung unserer Gesellschaft auf.
Nein, am Ort der letzten Schritte vieler Frankfurterinnen und Frankfurter dürfen keine Tanzschritte erfolgen, und am Gedenkort für sechs Millionen grausamer Schicksale von Kindern, Frauen und Männern sind Turnübungen moralisch tabu, auch ohne durch staatliche Verbote auf den gesunden Menschenverstand hinzuweisen. Es gehört sich nicht und ist zutiefst respekt- und pietätlos.
ZIVILGESELLSCHAFT Wo bewusst antisemitische Beweggründe die Schändung dieser Orte im Blick haben, muss der Staat mit all seinen auch rechtlichen Möglichkeiten eingreifen, davor liegt es aber an der Zivilgesellschaft, sich des eigenen Fehlverhaltens bewusster zu werden.
Ein gedankenloser Umgang mit diesen Gedenkorten zeigt auch die moralische Verarmung unserer Gesellschaft auf und macht deutlich, dass Erinnerung und Mahnung noch stärker über die räumliche Begrenztheit dieser Orte hinausgehen müssen, damit sie überhaupt ihrer Bedeutung nach wirken können.
Mit der Ausgestaltung von Erinnerungsorten macht man nur jenes greifbarer, das bis heute so unbegreiflich bleibt und über das genau deshalb gerade auch in seiner Bedeutung für unser Heute und die Zukunft unserer Gesellschaft in Zeiten des wachsenden Antisemitismus noch deutlicher gesprochen werden muss. Und dieses Wort muss lauter werden als jeder Salsa-Klang.
Der Autor ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.