Familiäre und freundschaftliche Verflechtungen binden uns an Israel und ließen auch uns mit dem Land aufwachsen. Da lag es nahe, unser Verhältnis zum Heiligen Land beim Jugendkongress am vergangenen Wochenende in Berlin zu thematisieren. Wir junge Juden in Deutschland sitzen nicht mehr auf den sprichwörtlich gepackten Koffern der Eltern- und Großelterngeneration.
Israel als Rückversicherung tritt für uns in den Hintergrund und wird dabei mehr und mehr zum bloßen Urlaubsziel. Welche Berührungspunkte gibt es heute zwischen uns in der Diaspora und Israel? Identifizieren wir uns mit dem Staat? Wegen der Religion? Oder aus politischen Gründen? Oder weil wir so oft in die Rolle des Verteidigers gedrängt werden, wenn es wieder mal heißt, Juden seien doch alle Vertreter Israels?
Im Alltag muss diese Fragen jeder für sich selbst beantworten, Hilfe gibt es nur selten. Da ist es schon eine besondere Gelegenheit, wenn man, wie auf dem Jugendkongress, mit Rabbinern, Wissenschaftlern, Politikern und vor allem mit gleichaltrigen Juden über diese Themen ins Gespräch kommen kann. Nach den Grass- und Augstein-Debatten brauchte es ein Forum, um Erlebtes in einer innerjüdischen Diskussion zu reflektieren und zu erörtern.
diskussionsräume Für mich als Stipendiat des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES) gibt es – zum Glück – zwar häufiger die Möglichkeit für solche Diskussionsräume. Aber dass wir auf dem Jugendkongress mit vielen jungen Juden jedes Bildungshintergrunds über diese Themen sprechen konnten, hat uns 40 ELES-Stipendiaten, die wir in Berlin teilnahmen, alle bereichert.
Noch spannender wäre es freilich geworden, hätten wir die Bedeutung Israels für uns auch mit den vielen jungen Israelis, die mittlerweile in Berlin leben, diskutiert. Wie nehmen die uns wahr? Wie sehen die von Deutschland aus Israel? Mit dieser Gruppe in einen Austausch zu treten und sie am hiesigen jüdischen Leben teilhaben zu lassen, wäre eine wichtige Aufgabe, die es sich anzupacken lohnt.
Und noch etwas fiel mir auf: Der Jugendkongress soll der jüdischen Nachwuchsförderung dienen. Da passt es leider nicht so gut, dass außer der Zeitzeugin Ruth Recknagel keine einzige Frau im Programm vorkam. Und das ausgerechnet an Purim, dem Fest, an dem wir der Rettung durch eine starke Frau, der Königin Esther, gedenken. Fazit: ein großer Kongress, der doch noch größer hätte sein können.
Der Autor studiert als Stipendiat des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks Politische Wissenschaft in Berlin und arbeitet als studentischer Mitarbeiter im Deutschen Bundestag.