Bayern

Mehr antisemitische Vorfälle

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Marco Limberg

Bayern

Mehr antisemitische Vorfälle

Viele Fälle ereignen sich auf der Straße – Zentralratspräsident Josef Schuster ist besorgt

 03.05.2021 13:11 Uhr

In Bayern sind 2020 genau 239 antisemitische Vorfälle erfasst worden. Das entspricht einem Anstieg von 55 Fällen gegenüber 2019, wie aus dem am Montag im Münchner Presseclub vorgestellten Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) hervorgeht. Besonders besorgniserregend sei die zunehmende Zahl von verschwörungsideologisch geprägten Vorfällen im Zuge der Corona-Pandemie.

STRASSE Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte dazu: »Ich finde es frappierend, dass seit einem Jahr einerseits das öffentliche Leben fast lahmgelegt ist und sich die Menschen deutlich weniger als sonst auf der Straße bewegen, andererseits es trotzdem mehr antisemitische Vorfälle gegeben hat als 2019, und zwar gerade auf der Straße.«

RIAS Bayern dokumentierte einen Angriff, zehn Bedrohungen, 13 gezielte Sachbeschädigungen, 27 Massenzuschriften und 188 Fälle von verletzendem Verhalten. Auffällig sei die hohe Zahl von 108 Vorfällen mit Bezug zur Pandemie. So sei etwa ein Aushang an der Universität Bayreuth über Corona-Maßnahmen mit den Worten »Jew World Order«, einer Variation des verschwörungsideologischen Begriffs von einer angeblichen »Neuen Weltordnung« (»New World Order«), beschmiert worden.

DEMONSTRATIONEN »2020 äußerte sich Antisemitismus im Rahmen von Corona-Demonstrationen offener als sonst in der Öffentlichkeit«, erklärte RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpaci. Antisemitismus sei als verbindendes Element der verschwörungsideologischen Szene zu betrachten, in der sich Menschen aller politischen Couleur zusammenfänden. Gleichzeitig müsse der alltägliche Antisemitismus, der bereits vor Corona da gewesen sei und ein Fundament für die antisemitischen Inhalte auf den Demos bilde, im Blick behalten werden.

Am häufigsten spielte sich Antisemitismus mit 100 Fällen auf der Straße ab. Die Zahl der Offline-Vorfälle habe von 134 auf 194 Fälle um 45 Prozent zugenommen. Den größten Zuwachs verzeichnete der moderne Antisemitismus, der sich verstärkt in Verschwörungserzählungen mit Corona-Bezug äußerte. Hier seien mit 81 Vorfällen mehr als doppelt so viele Fälle wie im Vorjahr registriert worden.

In 128 (54 Prozent) der bekannt gewordenen Vorfälle spielte der antisemitische Bezug zum Nationalsozialismus und die Ermordung der europäischen Juden eine Rolle. Wie 2019 liege dieses Motiv den meisten antisemitischen Vorfällen zugrunde.

MILIEU 139 der bekannt gewordenen 239 Fälle (58 Prozent) hätten eindeutig einem bestimmten politischen Hintergrund zugeordnet werden könne, so der Bericht. Mit 78 registrierten Fällen stammte ein Drittel aller Fälle aus dem verschwörungsideologischen Milieu. RIAS Bayern verwies darauf, dass von einem großen Dunkelfeld antisemitischer Vorfälle auszugehen sei.

Zentralratspräsident Josef Schuster sagte, der Trend lasse sich vermutlich in ganz Deutschland beobachten, auch in Österreich. Wer die Corona-Auflagen mit der Verfolgung und Ermordung der Juden in der Nazi-Zeit gleichsetze, relativiere den Holocaust in erschreckender Weise. »Für mich ist das ganz klar Volksverhetzung und die gehört entsprechend geahndet.«

Es sei »sehr zu begrüßen, dass einzelne Kommunen, wie zum Beispiel München, bei den Auflagen für Demonstrationen das Tragen der gelben Sterne ausdrücklich verboten haben«, erklärte Schuster. Für die jüdische Gemeinschaft sei »sowohl dieser Antisemitismus beängstigend als auch die Verbindungen der Corona-Leugner mit Rechtsextremisten«.

EINFALLSTOR Extremisten von rechts außen hätten »hier erneut ein Einfallstor gefunden, um weit in die Gesellschaft hinein ihr Gedankengut zu verbreiten. Vor allem wird es beängstigend, wenn wir nicht nur darauf blicken, was sich auf der Straße abspielt, sondern die sozialen Netzwerke hinzunehmen. Hier wird der Hass noch enthemmter artikuliert.«

An die Journalisten gerichtet, die über Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen berichten, sagte der Zentralratspräsident: »Dass Sie dennoch diese Orte aufsuchen, um sich ein Bild zu verschaffen und zu berichten, ist ein Dienst an der Demokratie. Das möchte ich ausdrücklich würdigen und Ihnen dafür danken.«

Zudem warnte Schuster: »Es gibt eine weiterhin gewaltbereite Islamistenszene, die eine Gefahr für die jüdische Gemeinschaft und für unsere Gesellschaft insgesamt darstellt. Ihre Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden darf jetzt nicht vernachlässigt werden.« kna/el

Berlin

Hisbollah-Anhänger bei Razzia in Neukölln festgenommen

Der Mann habe sich nach den Hamas-Massakern im Libanon ausbilden lassen, um gegen Israel zu kämpfen

 15.04.2025

Krieg in Gaza

»Fatwa«: Islamische Gelehrte rufen zum Dschihad gegen Israel auf

Ein in London ansässiger Verband hetzt gegen Israel. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft sieht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit auch in Deutschland

von Michael Thaidigsmann  15.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  15.04.2025 Aktualisiert

Joshua Schultheis

Im Krieg braucht es ein Korrektiv

Das israelische Militär will den verheerenden Angriff auf Krankenwagen in Gaza untersuchen. Es geht um viel: die Glaubwürdigkeit der Armee, Gerechtigkeit für die Toten und darum, sinnloses Leid künftig besser zu verhindern

von Joshua Schultheis  15.04.2025

Buchenwald-Gedenken

»Nehmen wir doch bitte das Gift aus der Debatte!«

Nach dem Eklat um die abgesagte Rede Omri Boehms sieht sich Jens-Christian Wagner scharfer Kritik seitens des israelischen Botschafters ausgesetzt. Wie blickt der Gedenkstättenleiter auf die heftige Diskussion der vergangenen Tage? Ein Interview

von Michael Thaidigsmann  15.04.2025 Aktualisiert

Berlin

Rekordzahl an Fällen von Hass auf Sinti und Roma

Hass und Diskriminierung in Bezug auf Sinti und Roma bleiben in der Hauptstadt auf einem erschreckend hohen Niveau. Dabei werden nicht einmal alle Fälle erfasst

 15.04.2025

Extremismus

Schüler aus Görlitz zeigen in Auschwitz rechtsextreme Geste

In sozialen Medien kursiert ein Foto des Vorfalls. Die Schulleitung reagiert prompt. Wie sehen die Konsequenzen für die Jugendlichen aus?

 14.04.2025

Recherche

Keine besten Freunde

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat die Unvereinbarkeit mit der AfD beschlossen. Nun soll der Vereinsausschluss des Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah folgen

von Joshua Schultheis  14.04.2025

Europa

Spanien stellt Teilnahme Israels am Musikwettbewerb ESC infrage

Beim Eurovision Song Contest soll es eigentlich um Musik gehen. Doch die Politik spielt immer öfter mit hinein. Aktuell droht eine neue Debatte um Israel. Grund ist der Krieg im Gazastreifen

 14.04.2025