Antisemitismus im Internet, auf der Straße und beim Sport: Judenfeindlichkeit bleibt nach Einschätzung der brandenburgischen Fachstelle Antisemitismus ein ernstes Problem. Ein neuer Bericht der Fachstelle hat 204 im vergangenen Jahr bekannt gewordene Vorfälle erfasst. Staatskanzleichefin Kathrin Schneider (SPD) sagte bei der Präsentation des Monitoring-Berichts am Montag in Potsdam, Antisemitismus sei in Brandenburg ein Alltagsthema und Teil des Alltagsrassismus. »Darum müssen wir uns kümmern«, sagte sie.
Dem Monitoring-Bericht zufolge hatten 98 der dokumentierten Vorfälle und Straftaten einen rechtsextremen oder rechtspopulistischen Hintergrund. In 81 Fällen habe kein eindeutiger politischer oder weltanschaulicher Hintergrund festgestellt werden können, hieß es. 19 Fälle gehörten zum Bereich von Verschwörungserzählungen, seien jedoch politisch nicht eindeutig zuzuordnen. Insgesamt 30 der Fälle hätten einen direkten Bezug zur Corona-Pandemie gehabt.
Verschwörungsideologie In zwei Fällen habe es einen islamischen oder islamistischen Hintergrund gegeben, drei Fälle seien dem verschwörungsideologischen Milieu und einer der politischen Mitte zuzuordnen, hieß es weiter. Vorfälle mit linkem oder linksextremem, christlichem oder christlich- fundamentalistischem sowie antiisraelischem Hintergrund seien nicht verzeichnet worden.
Von den 204 dokumentierten Vorfällen wurden 66 im Internet, 46 an unbekannten Tatorten und 35 auf der Straße erfasst. Der Bericht verzeichnet auch fünf Angriffe sowie jeweils elf Fälle gezielter Sachbeschädigungen und Gewaltandrohungen.
Dervis Hizarci vom Trägerverein der Fachstelle sagte, Antisemitismus bleibe »ein großes und sehr ernst zu nehmendes Problem«. Antisemiten und Rechtsextreme verlören immer mehr die Scham, ihren Hass auch zu äußern. Dies sei eine große Gefahr. Die dokumentierten Fälle und Zahlen böten zudem nur einen groben Einblick in die Problematik. Auch Antisemitismus in muslimischen und migrantischen Milieus habe sich bisher noch kaum in den Statistiken niedergeschlagen.
Dunkelfeld Felix Klepzig, Referent der Fachstelle, sagte, mit der am Montag gestarteten Meldeplattform im Internet solle das Dunkelfeld stärker erhellt und Antisemitismus sichtbarer gemacht werden. Schneider betonte, es sei ein »unverrückbares Anliegen der Landesregierung«, Jüdinnen und Juden in Brandenburg ein Leben ohne Furcht vor Anfeindungen und Übergriffen zu ermöglichen. Antisemitismus dürfe niemandem egal sein. Jüdisches Leben gehöre seit jeher zu Brandenburg.
Hizarci sagte, die meisten im Bericht erfassten Fälle seien von der Polizei dokumentiert worden. Nur wenige der Polizeimeldungen seien nicht berücksichtigt worden, weil der antisemitische Hintergrund nicht nachvollziehbar gewesen sei. Der Monitoring-Bericht überschneidet sich damit im Wesentlichen mit der Polizei-Statistik. Ergänzend seien unter anderem eigene Recherchen und Hinweise von Betroffenen aufgenommen worden, hieß es.
Die brandenburgische Fachstelle Antisemitismus wurde 2019 gegründet. Trägerverein ist seit 2022 die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus. Die Fachstelle kooperiert auch mit dem Verein Opferperspektive. epd