Einen Shitstorm hat sich Nicole Schott eingefangen, und das liegt nicht daran, dass die Eiskunstläuferin aus Essen bei den Olympischen Spielen nur 18. wurde. Es liegt an ihrer Musik: Sie lief zum Soundtrack von Schindlers Liste.
»Niemand sollte zu ›Schindlers Liste‹ laufen«, schrieb die »USA Today«-Kolumnistin Nancy Armour, und der »Rolling Stone« titelte: »Pietätlos und geschmacklos«.
lagerkluft Ist Sport zu profan, als dass er sich mit dem Thema Schoa beschäftigen dürfte? Ist es die Medaillenjagd, die so verstört? Jedenfalls ist die Verwendung von Schoa-Themen im Sport, gerade im Eiskunstlauf, so ungewöhnlich nicht. Der Erste, der sich die Schindlers-Liste-Musik aussuchte, war der Amerikaner Paul Wylie: Der hatte sich 1994 für seinen WM-Auftritt sogar einen grauen Anzug nähen lassen, der an Lagerkluft erinnerte.
Bei der gleichen WM lief Katarina Witt zu dieser Musik, sie trug ein rotes Kostüm, das an das tanzende Mädchen aus Spielbergs Film erinnerte. »Es gab ein leichtes Murren«, erinnerte sich die US-Expertin Jirina Ribbens, »aber letztlich wurde ihre Kür gut aufgenommen.«
funktionäre Was Wylie und Witt von so manchen Nachfolgern unterscheidet, ist, dass man ihnen den Willen zur ernsthaften künstlerischen Beschäftigung abnahm. Was an Nicole Schotts Kür am meisten verstört, ist ihre fehlende Begründung für die Musikauswahl und, noch mehr, ihre Reaktion auf Kritik. »Sie wollte damit keine Aussage treffen«, sagte ein Funktionär, »es ist etwas ganz Normales, diese emotionale Filmmusik zu wählen.«
Nein, es ist nicht irgendwie emotional. Was es in der Kultur ständig gibt – sowohl gelungene als auch kitschig-misslungene Auseinandersetzungen mit der Schoa –, gibt es auch in ästhetischen Sportarten. Und selbstverständlich darf und soll sich der Sport dem Thema stellen. Nur eine einzige Bedingung gibt es: Es sollte ernsthaft geschehen.