»Rosch-ha-Schana-Fest im Jüdischen Museum«, schrieb die »Bild«-Zeitung in ihrer Berliner Ausgabe vergangene Woche. »300 Gäste aus Wirtschaft, Kultur und Politik begrüßten gestern nach jüdischer Zeitrechnung das Jahr 5774.« Leider erschien der Artikel an Simchat Tora – gut drei Wochen nach Rosch Haschana. Dass das Jüdische Museum Berlin seinen Neujahrsempfang auf Erew Simchat Tora gelegt hatte, dürfte den Gästen kaum bewusst gewesen sein.
Vielleicht ist dem einen oder anderen aber aufgefallen, dass an diesem Abend auffällig wenig Fromme zu sehen waren. Praktizierende Juden mussten nämlich zu einer anderen Party – in die Synagoge, wo sie Kindern Bonbons zuwarfen, um ihnen die Tora schmackhaft zu machen. Aber mit zu vielen Informationen über unsere zahlreichen Feiertage sollte man Nichtjuden nicht verwirren, sonst verlieren sie noch den Überblick.
kalender Von der Flexibilität des Jüdischen Museums können wir alle nur lernen. Man sollte die Feste so feiern, wie sie in den eigenen Terminkalender passen. Dann könnten wir den Feiertagsmarathon im September entzerren, die Laubhütten erst im November bauen und das Torafreudenfest auf den 6. Dezember legen (Sie wissen, der legendäre Tag vor 5774 Jahren, als Sankt Nikolaus die Tora an Mosche übergab).
Chanukka wäre im Februar dran, und Tu Bischwat könnten wir Ende April begehen, wenn die Bäume in der Diaspora blühen. Übrigens, bei einem Besuch des Jüdischen Museums vor einiger Zeit im Sommer (oder war es beim damaligen Chanukka-Markt?) war ich perplex, als ich auf den Programmpunkt »Mazzebacken« stieß. »Warum wartet ihr nicht bis Pessach?«, fragte ich die junge Frau, die Kinder in authentisch-jüdische Backfreuden einführte, und erhielt zur Antwort: »Mazze geht immer!«
Finde ich auch. Mazze geht immer – und das vor allem zur Weihnachtszeit. Sie ist bekömmlich, kalorienarm und Lebkuchen und Spekulatius unbedingt vorzuziehen. Der Haken ist: Die meisten Juden mögen keine Mazze. Deswegen essen sie ungesäuertes Brot an maximal acht Tagen im Jahr.
Aber auf die Juden kommt es gar nicht an, denn das Jüdische Museum hat einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Und warum sollte man unsere nichtjüdischen Mitbürger – nette Menschen, die freiwillig eine jüdische Einrichtung betreten – mit jedem Detail unserer komplizierten Religion behelligen? Freuen wir uns lieber auf den nächsten Neujahrsempfang im Jüdischen Museum und hoffen, dass er nicht an Tischa beAw stattfindet. In diesem Sinne: »Happy New Year!«