Wenn es an die Fleischtöpfe geht – und seien es nur die der öffentlichen Kantinen –, dann wird es schnell irrational. Anders lassen sich die öffentlichen Bekenntnisse zum ungehemmten Fleischkonsum, die den Vorschlag der Grünen zum Veggie Day begleiten, nicht erklären. Aber Essen ist mehr als der persönliche Genuss. Essen ist hochpolitisch, wenn wir die ökologischen und sozialen Auswirkungen unserer Lebensmittelproduktion einmal genauer betrachten.
Heute landen bereits 30 Prozent der Weltgetreideernte nicht mehr auf dem Teller, sondern im Trog, während gleichzeitig 870 Millionen Menschen weltweit hungern. Die Intensivtierhaltung ist damit zum Lebensmittelkonkurrenten des Menschen geworden. Deutschland importiert allein aus Südamerika Soja von 2,5 Millionen Hektar Ackerland. Die Kleinbauern werden von ihrem Land vertrieben und die Lebensmittelerzeugung für die Menschen vor Ort verdrängt. Unser vermeintliches Recht auf Steak untergräbt das Menschenrecht auf Nahrung im globalen Süden.
artensterben Der übermäßige Fleischkonsum heizt den Klimawandel an. 18 Prozent der globalen Treibhausgase stammen aus der Tierhaltung, das ist mehr als das, was das weltweite Verkehrsaufkommen dazu beiträgt. Um neue Anbauflächen für Futtermittel zu gewinnen, wird Grünland umgebrochen und Regenwald gerodet. Beides führt nicht nur zu mehr CO2 in der Atmosphäre, sondern beschleunigt darüber hinaus die zweite ökologische Katastrophe unserer Zeit – das Artensterben.
Billiges Fleisch gibt es nur auf Grundlage millionenfachen Tierleids in der Massentierhaltung. Die Tiere werden systematisch an die Haltungssysteme angepasst, indem Schweinen die Ringelschwänze und Hühnern die Schnabelspitzen abgeschnitten werden. Die Tiere werden auf engstem Raum zusammengepfercht. Ihr kurzes und qualvolles Leben können sie lediglich aufgrund des massiven Einsatzes von Antibiotika und Schmerzmitteln überstehen. Es ist an der Zeit, die Diskussion, ob dieser Umgang mit Tieren als unseren Mitlebewesen ethisch-moralisch zu vertreten ist, zu intensivieren.
massentierhaltung Die gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen unseres Fleischkonsums und der Massentierhaltung hat bei vielen Menschen zu einem Bewusstseinswandel und zu veränderten Essgewohnheiten geführt. Fleisch in Maßen statt in Massen ist die Devise. Denn gutes Essen geht auch ohne Fleisch. Der Veggie Day ist eine Anregung, das auszuprobieren.
Es gab Zeiten, in denen Fleisch das besondere Lebensmittel war, mit dem Gott geehrt, die Kranken versorgt und die außergewöhnlichen Feste des Lebens gefeiert wurden. Auch das ist ein Ziel des Veggie Day: Bewusstsein und Wertschätzung für unsere Lebensmittel und ihre Erzeugung zu schaffen.
Die Autorin ist Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.