Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Israels Botschafter Ron Prosor waren ins Reichstagsgebäude gekommen, um die Aussprache zu verfolgen. Zu Steinmeiers Rechten hatte Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Platz genommen, und auch Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, war gekommen.
Es sollte eine Aussprache zum 75. Jahrestag der Staatsgründung Israels sein. Von einer »parlamentarischen Geburtstagsfeier« sprach Michael Roth, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Es war dann doch eher eine recht nüchterne Feier. Zwar flochten alle Redner in der Aussprache Israel Girlanden, lobten seine Resilienz.
Die meisten sparten aber auch nicht mit vorsichtiger Kritik: an der Besatzung, am »völkerrechtswidrigen Siedlungsbau« und an der von der aktuellen Regierung in Israel geplanten Justizreform, gegen die sich im Land und in der Diaspora selbst Proteste erhoben haben.
Ausnahme Eine wohltuende Ausnahme war Michael Roth selbst. Er war der letzte Festredner in der 75-minütigen Aussprache am Freitagmorgen. Der SPD-Politiker diagnostizierte einen »Mangel an Empathie« gegenüber Israel und auch in Deutschland weitverbreiteten »Trend zur Belehrung«. Dem Satz von Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson folge immer öfter ein »Aber«, sagte Roth, und dieses Aber werde lauter und aggressiver denn je vorgetragen.
»Es wird in Deutschland irrigerweise behauptet, es gebe gegenüber Israel Denk- und Sprechverbote«, so Roth. »Das komplette Gegenteil ist der Fall. Wir streiten mit Israel, ringen um die richtigen Antworten, und wenn wir mal unsere Social Media-Aktivitäten kritisch reflektieren, dann stelle ich zumindest fest: So viel Hass, so viel Wut, so viel Beleidigung gegenüber Israel, gegenüber Jüdinnen und Juden, habe ich in meinen 25 Jahren Parlamentszugehörigkeit noch nie erlebt.«
Zuvor hatte der Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz (CDU) vom »Glück der deutsch-israelischen Freundschaft« gesprochen und angemahnt, gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen, egal, ob sie von der politischen Linken, von muslimischen Zuwanderern oder »der im Gewande der Kunst« komme.
Rechtspopulisten FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte, Deutschland sei eine Nation des Erinnerns an die Schoa. Den Vorwurf der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch, aus den hehren Worten folge keine Regierungspolitik, zumindest nicht, wenn es um die Verurteilungen Israels bei den Vereinten Nationen gehe, keilte Dürr scharf zurück.
Er warf der AfD vor, die Debatte für »AfD-Propaganda« zu missbrauchen. Und hob dann seinerseits zu einer Spitze gegen die Rechtspopulisten an: Israel sei der AfD in Wahrheit gar nicht so wichtig. Die Partei fände sich ebenso wie der Iran, der Israel vernichten wolle, an der Seite Russlands.
Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin warnte in seinem Redebeitrag davor, die Einzigartigkeit der Schoa etwa mit Verbrechen des Kolonialismus oder der »Nakba« aufzurechnen. Er sagte aber, das Land Israel sei auch vor der Staatsgründung keine Wüste gewesen, denn dort hätten bereits Menschen gelebt. Deutschland trage aus historischen Gründen eine besondere Verantwortung für den Frieden im Nahen Osten.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, warnte zu Beginn der Aussprache davor, einen Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen. Nichts sei so wichtig wie das Erinnern. Sie rief zum Frieden im Nahen Osten auf und würdigte das Engagement der israelischen Zivilgesellschaft für den Erhalt der Demokratie.
Dietmar Bartsch (Die Linke) forderte ein Vorgehen gegen jede Regung von Rassismus und Neonazismus in Deutschland. Hier sei in der Vergangenheit zu wenig getan worden.
Regierungsbank Mitglieder der Bundesregierung beteiligten sich nicht an der Aussprache. Schon bei den Feierlichkeiten in Israel vor zwei Wochen war kein Kabinettsmitglied aus Deutschland dabei gewesen, lediglich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) war nach Israel geflogen. Immerhin war die Regierungsbank im Bundestag am Freitag deutlich besser gefüllt als die übrigen Sessel im Plenarsaal.
Bereits im Vorfeld der Debatte hatte die DIG gefordert, die Maxime von Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson dürfe nicht nur eine Worthülse sein und dabei auf die laufenden Raketenangriffe aus dem Gazastreifen gegen israelische Bürger verwiesen.
Ziel der Operation des israelischen Militärs gegen die Terrorgruppe Islamischer Dschihad in der palästinensischen Küstenenklave sei es, so die DIG, das Abfeuern von Raketen und Angriffe auf israelische Bürger zu stoppen. «Hier ist unsere solidarische Unterstützung gefragt.”
Ablösung DIG-Präsident Volker Beck forderte die Bundesregierung auf, sich für die Ablösung der Italienerin Francesca Albanese einzusetzen. Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die palästinensischen Gebiete habe Israels Recht auf Selbstverteidigung bestritten.
«Bundesregierung und Bundestag sind hier zum vernehmbaren Widerspruch geradezu verpflichtet und sind aufgefordert, sich für die Ablösung von Albanese bei der UN einzusetzen. Das ist praktisches Bekenntnis zur Staatsräson”, so Beck.
Weiter erklärte die DIG: »Die deutsche Staatsräson, sich für Israels Sicherheit einzusetzen, ist unbedingt. Sie ist Ausdruck des Bekenntnisses zum Völkerrecht, das keine Infragestellung der Sicherheit und Existenz von Mitgliedern der Vereinten Nationen duldet. Sie ist auch Konsequenz deutscher Geschichte und Ausdruck der daraus erwachsenen Verantwortung für die Sicherheit des jüdischen Volkes.« (mit kna)
Lesen Sie mehr zu dem Thema in unserer nächsten Printausgabe am 19. Mai.