Migration

»Make it in Germany«

Kompetenz dringend gesucht: Ausländische Experten sollen den Standort Deutschland voranbringen. Foto: Thinkstock

Die »Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte« sei ab sofort einzustellen, ließ Bundesarbeitsminister Walter Arendt (SPD) 1973 die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg wissen. Damals wollte die Bundesregierung angesichts der Ölkrise den Zustrom von »Gastarbeitern« unterbinden.

40 Jahre nach diesem Anwerbestopp hat sich die Zuwanderungspolitik grundlegend verändert. Schließlich werden aufgrund des demografischen Wandels bis 2025 über sechs Millionen Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen. Deutschland bemüht sich daher, den Zugang für ausländische Fachkräfte zu erleichtern. Mit Erfolg: In einer kürzlich vorgelegten Studie stellt die OECD fest, dass die Bundesrepublik für hoch qualifizierte Arbeitskräfte zu den Ländern mit den geringsten Hürden gehöre. Es gebe keine Begrenzung für die Zahl hoch qualifizierter Einwanderer, die Bearbeitungszeit der Anträge sei kurz.

Blue Card Dennoch gibt es Kritik. So stellte die »Welt« im November fest, dass an der im August eingeführten »Blue Card«, die den Qualifizierten aus aller Welt den Weg nach Deutschland ebnen soll, »kaum jemand Interesse« zeige. Im Bundesinnenministerium (BMI) schüttelt man angesichts derartiger Meldungen den Kopf. »Die Zahlen der ersten sechs Monate sprechen eine andere Sprache«, sagt Gabriele Hauser, Leiterin der Migrationsabteilung. Mehr als 4000 Blue Cards seien bereits ausgegeben worden. Die Entwicklung sei »sehr positiv«.

Hochschulabsolventen aus nichteuropäischen Staaten können die Blue Card erhalten, wenn sie einen Arbeitsvertrag mit einem Gehalt von mindestens 44.800 Euro im Jahr vorlegen. Die Einkommensgrenze in Berufen, in denen bereits jetzt Fachkräftemangel herrscht, etwa bei Ärzten oder im IT-Bereich, liegt nur bei 35.000 Euro. Inhaber der Blue Card erhalten – Arbeitsvertrag vorausgesetzt – nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis.

Im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung, für die die Federführung im Bundesinnenministerium liegt, beraten Arbeitsgruppen unter anderem darüber, wie sich die Einwanderung verbessern lässt. Problematisch ist der schlechte Ruf Deutschlands: Zuwanderer seien hier nicht willkommen, heißt es, sprachliche Hürden würden noch zu wenig berücksichtigt, und sie könnten vielfach nicht sicher sein, dass ihre Qualifikation anerkannt würde.

Dies entspreche schon lange nicht mehr den Tatsachen, sagt Hauser. Zum Beispiel habe man in Sachen Sprachförderung schon sehr viel unternommen – von Angeboten der Goethe-Institute in den Herkunftsländern bis zu den 2005 eingeführten Integrationskursen. Dies sei eine große Starthilfe, denn »das Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel dafür, in unserer Gesellschaft wirklich anzukommen«. Allein für die Kurse seien bereits 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt worden.

Auch die Möglichkeiten zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen seien verbessert worden. Darüber informiert unter anderem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit einer Beratungshotline. Das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium haben gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit ein Internetportal (www.make-it-in-germany.com) eingerichtet, mit Tipps, in welchen Branchen Fachkräfte gesucht werden.

Willkommenskultur Beim Thema der so oft angemahnten Willkommenskultur verweist Roland Conradt vom Referat für Ausländerrecht im BMI auf den sich vollziehenden Bewusstseinswandel bei den Behörden, aber auch in der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft, der einige Zeit brauche. »Als 1973 aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit der Anwerbestopp beschlossen wurde, hat Deutschland sich nahezu abgeschottet, und es war nicht einfach, von dieser Zurückhaltung umzuschwenken. Aber inzwischen betreiben wir Werbung für den Standort Deutschland.«

Die Fachkräftesuche sei nicht auf bestimmte Drittstaaten beschränkt, so Conradt. Auf jeden Fall seien aber auch Fachkräfte aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion angesprochen. Für Israel gelten übrigens andere Voraussetzungen, wie etwa auch für die USA, Neuseeland und Japan. Die Staatsangehörigen dieser Länder unterliegen weniger Einschränkungen bei der Arbeitsmigration. So ist zum Beispiel aus diesen Ländern Zuwanderung auch ohne Hochschulstudium möglich.

40 Jahre nach dem Anwerbestopp von 1973 wurden die Hürden für die Zuwanderung deutlich gesenkt. »Ich denke, dass Deutschland insgesamt viel offener geworden ist«, meint Gabriele Hauser. »Das Bewusstsein, dass wir schon aufgrund des demografischen Wandels auch Zuwanderung brauchen, ist vorhanden.«

Österreich

FPÖ vor Machtübernahme in Wien: Ein Signal für Deutschland?

Was die Entwicklungen im Nachbarland für Deutschland bedeuten könnten

von Jörg Ratzsch, Matthias Röder  07.01.2025

Umfrage

Studie zeigt verbreitete Juden- und Islamfeindlichkeit in Österreich

Eine Untersuchung der Universität Wien zeigt, dass in Österreich Antipathien gegen Islam und Judentum in der Gesellschaft häufig sind

 07.01.2025

Frankreich

Paris gedenkt Anschlag auf »Charlie Hebdo«

Vor zehn Jahren starben bei Anschlägen auf die Zeitschrift »Charlie Hebdo« und einen koscheren Supermarkt in Paris 17 Menschen

 07.01.2025

Nachruf

Nicht anschlussfähig und offen antisemitisch

Jean-Marie Le Pen, Gründer und langjähriger Chef des Front National, ist im Alter von 96 Jahren gestorben

von Alexander Brüggemann, Michael Thadigsmann  07.01.2025

Restitutionsdebatte

Nachfahren fordern besseres Rückgaberecht für NS-Raubgut

Die Regierung würde gern noch schnell ein Schiedsverfahrensrecht für die Restitution von NS-Raubgut einsetzen. Dagegen wenden sich nun Angehörige von früheren Besitzern

von Stefan Meetschen  07.01.2025

Berlin

Influencer soll wegen Raketenschuss zügig angeklagt werden

Seine Aktion zu Silvester hat für Empörung gesorgt - und den Mann aus dem Westjordanland ins Gefängnis gebracht. Da will er schnell wieder raus. Auch die Justiz hat es eilig

 07.01.2025

Medien

Presseschau zur Situation in Österreich: »Kickl ist ideologisch näher bei Höcke als bei Weidel«

Zahlreiche Medien kommentieren den Auftrag der rechtsextremen FPÖ zur Regierungsbildung in Österreich. Eine Auswahl

 07.01.2025

Nahost

Amnesty gegen Amnesty

Laut einem Bericht der »Jerusalem Post« hat die Menschenrechtsorganisation ihre israelische Sektion ausgeschlossen

 07.01.2025

Meinung

Treitschke ist nicht »umstritten«

Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

von Sebastian Leber  07.01.2025