Einspruch!

Lügen sind keine Meinungen

Achim Doerfer Foto: Mirko Plha

Am 22. Juni hat das Bundesverfassungsgericht zwei für Juden wichtige Entscheidungen getroffen. Ausgangspunkt waren Verurteilungen wegen Volksverhetzung. Die Entscheidungen sind gut, doch gibt eine davon Anlass zur Sorge.

Der erste Beschluss befasst sich mit Ursula Haverbeck, die wegen Leugnung der Schoa zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wurde und darin ihre Meinungsfreiheit verletzt sah. Karlsruhe hat aber aufgezeigt, dass Haverbeck nicht Meinungen, sondern im Kern bewusst falsche Tatsachenbehauptungen äußert. Die aber seien nicht geschützt, weil sie nichts zur Meinungsbildung beitragen. Zudem setzt die Strafbarkeit der Volksverhetzung eine Gefährdung des öffentlichen Friedens voraus. Jeder kann harmlosen Unsinn verbreiten, aber nicht gefährlichen wie Frau Haverbeck.

Aggression Das Gericht sieht die Gefahr, dass Schoa-Überlebende dann als dreiste Lügner dargestellt werden und Schoa-Leugnung in Gewalt umschlagen könnte. Zu bedenken ist auch, dass etwa 25 Prozent der Deutschen antisemitische Einstellungen haben, das sind mehr Menschen, als Juden auf der gesamten Welt leben. Da gilt es, Aggressionen schon im Keim zu ersticken.

Im zweiten Fall griff der Verurteilte im Internet heftig, auch antisemitisch, die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung an. Das Bundesverfassungsgericht hob zum Schutz der Meinungsfreiheit das Urteil wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus auf – und zwar, weil das Ausgangsgericht bisher keine ausreichenden Feststellungen zur Störung des gesellschaftlichen Friedens getroffen hat.
Das erfordert aber politisches, sprachliches und geschichtliches Wissen bei der Justiz.

Sonst können Ermittlungen unterbleiben oder ein Freispruch aus Unsicherheit erfolgen. Dabei ist der Paragraf zur Volksverhetzung derzeit so wichtig wie seit Jahrzehnten nicht mehr – um Meinungsfreiheit und gesellschaftlichen Frieden gleichermaßen zu schützen.

Der Autor ist Rechtsanwalt und im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Göttingen.

Berlin

Mützenich kritisiert Merz’ Weigerung, Netanjahu in Deutschland verhaften zu lassen

»Friedrich Merz muss endlich klarstellen, dass Deutschland den Haftbefehl gegen Netanjahu vollziehen würde«, so der SPD-Politiker

 02.04.2025

Potsdam

Tatverdächtiger nach Angriff auf Kippaträger

Der Mann sei im Zuge einer Öffentlichkeitsfahndung mit Bildern von Überwachungskameras aus einem Bus identifiziert worden

 02.04.2025

Nahost

Gruppe von Deutschen verlässt Gaza

Die Ausreise aus dem wegen des Terrors durch Ägypten und Israel blockierten Gazastreifen ist seit Beginn des Krieges vor eineinhalb Jahren noch schwieriger geworden

 02.04.2025

USA

Washington überprüft Fördergelder für Harvard-Universität

Die Begründung auch hier: der Kampf gegen Antisemitismus

 02.04.2025

Kommentar

Erdoğans Vernichtungswahn ist keine bloße Rhetorik

Der türkische Präsident hat nicht nur zur Auslöschung Israels aufgerufen, um von den Protesten gegen ihn abzulenken. Deutschland muss seine Türkeipolitik überdenken

von Eren Güvercin  01.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig, hoffnungsvoll und vereint geblieben

von Alon David  01.04.2025

USA

Grenell könnte amerikanischer UN-Botschafter werden

Während seiner Zeit in Berlin machte sich Grenell als US-Botschafter wenig Freunde. Nun nennt Präsident Trump seinen Namen mit Blick auf die Vereinten Nationen. Aber es sind noch andere im Rennen

 01.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  01.04.2025

Judenhass

Todesstrafen wegen Mordes an Rabbiner in Emiraten

Ein israelischer Rabbiner wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten getötet. Der Iran wies Vorwürfe zurück, die Täter hätten in seinem Auftrag gehandelt. Drei von ihnen wurden zum Tode verurteilt

von Sara Lemel  31.03.2025